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Zirkus-Tierhaltung Streit um einen Schimpansen

Schimpanse Robby soll vom Circus Belly in Celle in eine Auffangstation für Affen kommen. Manche befürchten den Tod des Zirkustiers.

01.11.2017, 15:12

Celle (dpa) l Er ist der letzte Menschenaffe in einem deutschen Zirkus: Um Schimpanse Robby tobt schon länger ein Streit. Viele Jahre gehörten seine Auftritte – im Anzug auf einem Roller oder als Bällewerfer – zu den Höhepunkten im Programm des kleinen Circus Belly. Solche Auftitte sind in Deutschland sehr umstritten. Tierschutzverbände fordern vehement, die Haltung von Wildtieren im Zirkus ganz und gar zu verbieten. Die Debatte geht auch Robby etwas an. Laut einem Gerichtsurteil ist seine Haltung ohne Artgenossen tierschutzwidrig. Seit Ende 2015 darf der Zirkus den Affen nicht mehr zur Schau stellen, wie der Landkreis Celle anordnete. Zurzeit lebt Robby hinter den Kulissen. Er hat neuerdings ein Hobby: Malen.

Der Schimpanse soll laut einem Urteil des Verwaltungsgerichts Lüneburg wieder an Artgenossen gewöhnt werden, doch sein Besitzer Klaus Köhler stellte im Frühjahr einen Antrag auf Berufung. Solange bis darüber entschieden worden ist, kann der rund 46 Jahre alte Schimpansen-Opa in dem in Celle beheimateten Circus Belly bleiben. Die Bremer Wildtierärztin Alexandra Dörnath kämpft dafür, dass der auf den Menschen fehlgeprägte Affe weiter bei der Familie leben darf, in die er vor mehr als vier Jahrzehnten kam. Die Veterinärin macht das freiwillig, sie ist nicht als Gutachterin beauftragt worden.

"Wir beschäftigen uns aber vier Stunden am Tag mit ihm", betont Zirkusdirektor Köhler. Er ist die engste Bezugsperson des Schimpansen-Greises, der laut Köhler gern mit Hund Ted spielt oder sich Bilderbücher anschaut. Tierärztin Dörnath kaufte Robby kürzlich eine Staffelei, Farben, Stifte und Pinsel, um dem Affen eine weitere Beschäftigungsmöglichkeit zu bieten. Etwa 10 bis 15 Minuten malt Robby konzentriert, berichtet Dörnath. Danach verliere er ähnlich wie ein dreijähriges Kind das Interesse. Die Exoten-Spezialistin, die ihre Doktorarbeit über die medikamentöse Ruhigstellung von Gorillas in Zoos schrieb, hat Robby zwölf Tage lang beobachtet. "Von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang", berichtet sie. Anders als der vom Verwaltungsgericht beauftragte Gutachter glaubt sie nicht, dass Robby in seinem hohen Alter in einer Affengruppe Anschluss finden kann. "Robby leidet auch nicht, es geht ihm gut."

Es gibt auch eine gegensätzliche Medizinermeinung. Laut Gutachten des Wildtierarztes Pierre Grothmann kann Robby typische Verhaltensweisen - etwa seine Sexualität – nicht ausleben. Das Schimpansenmännchen habe eine schwerwiegende Verhaltensstörung, stellte er fest und das Gericht folgte ihm in dieser Einschätzung. Robby soll deshalb in die niederländische Auffangstation AAP umziehen, die auf die Resozialisierung von Affen in schlechter Haltung spezialisiert ist. Die Tierrechtsorganisation Peta hatte jahrelang für eine Befreiung Robbys gekämpft, sie spricht von einem "traurigen Leben".

Der Zoo Leipzig, der eine einzigartige Menschenaffen-Anlage hat, wollte sich aus der Entfernung nicht zum Fall Robby äußern. Der Direktor des Osnabrücker Zoos, Michael Böer, warnte dagegen schon 2015 davor, Robby mit anderen Schimpansen zusammenzubringen. "Er kann die Schimpansensprache nicht verstehen", sagt auch Dörnath. "Ihn aus seiner vertrauten Umgebung hinauszunehmen, ist brutal und potenziell lebensbedrohlich – ein höchstwahrscheinlich tödliches Experiment." Von anderen Schimpansen werde er vermutlich Prügel beziehen. In seinem Alter und mit seinem Übergewicht sei er ein typischer Schlaganfall- oder Herzinfarktkandidat, meint die Tierärztin. In Zoos werden Schimpansen in der Regel maximal 50 Jahre alt. Schon der Transport sowie die Quarantäne-Zeit in der Auffangstation wären höchst riskant, warnt die Menschenaffen-Expertin.