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Zugvögel Beobachtung aus dem Weltraum

Mit dem internationalen Icarus-Projekt können Biologen die Wanderschaft zehntausender Zugvögel beobachten.

Von Uwe Seidenfaden 18.03.2018, 00:01

Magdeburg l Alljährlich in Frühjahr vollzieht sich auf der nördlichen Erdhemisphäre – von Kanada über Nordeuropa bis nach Sibirien - ein beeindruckendes Schauspiel am Himmel. Viele Milliarden Zugvögel kehren dann aus ihren südlichen Überwinterungsquartieren in ihre Brutgebiete nördlich des Äquators zurück.

Durch Beringung der Vögel konnten Ornithologen in den vergangenen Jahrzehnten feststellen, dass selbst Leichtgewichte wie der nur acht Gramm schwere Fitislaubsänger Flugstrecken von mehreren Tausend Kilometern zurücklegen. Fluggesellschaften wären glücklich, könnten sie Passagiere zu ähnlich günstigen Energiekosten von einem Kontinent zum anderen bringen. Wie schaffen die kleinen Federtiere es nur, solche Extremleistungen zu bewältigen? Die Wissenschaft vermag darauf bislang nur begrenzt Antworten zu geben. Mehr Informationen erhoffen sich die im internationalen Forschungsprojekt „Icarus“ kooperierenden Biologen und Ökologen aus Deutschland, Russland und vielen anderen Teilen der Welt.

Ziel des internationalen Icarus-Projektes ist es, die alljährlichen Wanderbewegungen von Tieren möglichst lückenlos und global zu verfolgen. In den kommenden Jahren sollen neben Zugvögeln auch viele an Land und im Wasser lebende Tiere aus dem All überwacht werden. Eine wichtige Rolle dabei spielen sogenannte „Animal Tracker“, die von Forschern des Max-Planck-Instituts für Ornithologie in Radolfzell gemeinsam mit Ingenieuren des Raumfahrtunternehmens SpaceTech in Immenstaad am Bodensee entwickelt wurden.

„Nur so groß wie eine Cent-Münze und etwa fünf Gramm schwer sind die Animal Tracker, die auch von kleineren Vögeln wie Amsel und Star getragen werden können“, erklärt Icarus-Projektleiter Professor Martin Wikelski, Direktor des Max-Planck-Instituts. Das leichte Reisegepäck für Zugvögel enthält Sensoren, die mehrmals am Tag die Position, Flughöhe, Beschleunigung und Temperatur messen. Die Internationale Raumstation, die in rund 400 Kilometer Höhe alle 90 Minuten die Erde umkreist, soll die Daten empfangen. Im russischen Teil der Raumstation werden die Informationen von mehreren Tausend Tier-Sendern gleichzeitig mit einer etwa 1,5 Meter große Spezialantenne aufgefangen, anschließend im Bordcomputer zwischengespeichert und danach zur weiteren Verarbeitung an das russische Kontrollzentrum bei Moskau gesendet.

Ursprünglich sollte diese Spezialantenne für den Empfang der „Animal Tracker“ bereits im Sommer 2017 mit einem russischen Progress-Raumfrachter zur ISS gelangen. Aufgrund eines technischen Ausfalls einer früheren Versorgungsmission, konnte die Antenne aber erst Mitte Februar 2018 geliefert werden. Die Kosmonauten sollten sie demnächst während eines Weltraumspaziergangs an dem russischen Stationsteil PIRS montieren.

Die Forscher hoffen, damit viele neue Informationen über das Zugverhalten kleiner Tiere zu erhalten - nicht nur über die Migrationsrouten verschiedener Arten, sondern auch über Reaktionen der Tiere auf Wind und Wetter sowie auf klimatische und ökologische Veränderungen.

„Die Tiere werden bald unsere besten Erdbeobachter sein“, meint Professor Wikelski. Wissenschaftler erhoffen sich von den Daten u.a. Erkenntnisse zu den Auswirkungen des Klimawandels, der Ausbreitung von Epidemien und zur Katastrophenvorhersage.

In den kommenden fünf Jahren ist geplant, das Gewicht der „Animal Tracker“ auf etwa ein Gramm zu reduzieren. Damit wäre es möglich, auch Insekten wie Heuschrecken oder Schmetterlinge über große Distanzen aus dem All zu verfolgen.

An der Auswertung der Daten wollen die Forscher zukünftig auch die interessierte Öffentlichkeit teilhaben lassen. Mit einem kostenlosen Computerprogramm soll jeder eigene Tierbeobachtungen mit den Daten der elektronischen Tiersender verknüpfen können. Laien können so ihren Beitrag zum besseren Verständnis des Tierverhaltens und zum Schutz von Wildtieren liefern.