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Bier Die neue Lust am Selbstgebrauten

Weil sich in Deutschland klassische Biersorten im Geschmack kaum noch unterscheiden, greifen immer mehr Biertrinker zu Craft Beer.

19.10.2015, 23:01

Magdeburg l Robert Kellermann hat seinen Job als Zahntechniker vor ein paar Jahren aufgegeben, um noch einmal eine Ausbildung zu machen. Als Bierbrauer. „Da die industriell hergestellten Biere inzwischen alle sehr ähnlich schmecken, wollte ich neue Sorten entwickeln“, erzählt der 30-Jährige.

Inzwischen hat der Magdeburger seine Ausbildung in der kleinen Brauerei Wasserburg zu Gommern abgeschlossen und steht kurz davor, Bier unter einem eigenen Label zu produzieren. Nicht irgendein Bier, sondern Craft Beer. Was das ist? Craft heißt auf Deutsch Handwerk. Es geht also um handwerklich gebrautes Bier, sein Geschmack soll sich vom Pils-Mainstream abheben.

Der Geschmacks-Trend kommt aus den USA, dort haben sich in den vergangenen Jahren viele kleine Brauereien neu gegründet, um den großen Konzernen mit alternativen Bieren Konkurrenz zu machen. Ihre Kreationen schmecken meist hopfiger und fruchtiger – oft lassen sich Aromen wie Zitrone, Orange und Pfirsich herausschmecken. „Es gibt Biere, da schmeckt man die Aromen deutlich, bei anderen braucht man einen guten Riecher“, erklärt Kellermann.

Seine eigene Produktion will Kellermann schrittweise aufbauen, seine Biere zunächst in kleinen Mengen produzieren - wie es für Craft-Beer-Brauer auch üblich ist. Im Magdeburger Stadteil Buckau hat er dafür passende Räumlichkeiten bereits gefunden.

Vier Sorten Craft Beer hat er inzwischen entwickelt, ein Helles, ein Dunkles, ein Export und ein Maronen-Bier. „Das Helle ist mild, aber fruchtig, das Dunkle malzig-aromatisch, das Export vollmundig“, erläutert Kellermann. Für seine vierte Kreation nutzt er geröstete Maronen. Er darf das Gebräu deshalb nicht Bier nennen, weil es nicht dem deutschen Reinheitsgebot entspricht. Das Gebot besagt, dass Bier nur aus Hopfen, Malz, Hefe und Wasser hergestellt werden darf. Auch deshalb führen Bierbrauer deutschlandweit mittlerweile eine hitzige Debatte, ob das Reinheitsgebot nicht gekippt werden sollte, weil es der Kreativität Grenzen setzt.

Robert Kellermann sieht das jedoch gelassen. Das Maronen-Bier wird sich auch so verkaufen, glaubt er. Ende der Woche will Kellermann die ersten Flaschen Craft Beer im Buckauer Getränkefeinkost-Handel an den Mann bringen, in sozialen Medien wirbt er bereits für seine Handwerksbiere der Marke „Brewckau“. „Ich hoffe, dass ich zunächst 2000 bis 3000 Liter pro Jahr davon verkaufen kann.“

Nicht nur im Geschmack unterscheidet sich Craft Beer von klassischem Bier, sondern auch vom Preis. Weit über zehn Euro kann eine Flasche schon mal kosten - je nachdem, mit welchen Zutaten gebraut wurde. Kellermann selbst muss die Preise für seine drei Sorten allerdings noch kalkulieren.

In Sachsen-Anhalt ist er einer der Ersten, die Handwerksbier an den Mann bringen möchten. Große Brauereien wie Hasseröder wollen sich vorerst aufs klassische Geschäft konzentrieren. Dabei geht der Konsum klassischer Biere stetig zurück. Vor 30 Jahren tranken die Deutschen noch 151 Liter pro Jahr - inzwischen sind es nur noch 107 Liter.

„Die Strategie der großen Brauereien ist aber nicht unbedingt falsch“, sagt selbst Kellermann. Handwerksbiere seien bislang eher etwas für Szene-Kneipen in den Ballungszentren. „Man muss die Leute langsam an den Craft-Beer-Geschmack heranführen“, findet der Fachmann.