Landwirtschaft Schäfer sind Idealisten

Der Beruf des Schäfers ist alles andere als einträglich.

Von Rudi-Michael Wienecke 22.01.2016, 00:01

Halle l Sachsen-Anhalt braucht mindestens 100 000 Schafe für die Landschafts- und Deichpflege, fordert Agrarminister Hermann Onko Aeikens. „In diesem Jahr unterschreiten wir diese Grenze erstmals“, prognostiziert nun Zuchtleiter Dr. Hans-Jörg Rösler. Die Talsohle ist dann allerdings noch immer nicht erreicht. Der Gesamtbestand in Sachsen-Anhalt, auf dessen Gebiet zu DDR-Zeiten über eine Million Schafe gehalten wurden, wird weiter sinken.

Rösler, Geschäftsführer des Landesschafzuchtverbandes mit Sitz in Halle, kann für seinen Verband dagegen einen positiven Trend erkennen. Mit 221 organisierten Züchtern zählt er so viele Mitglieder wie noch nie. Auch die Zahl der im Herdbuch registrierten Mutterschafe stieg im Vergleich zum Vorjahr um etwa 500 auf rund 9500 Tiere. Allerdings werden die Herden kleiner, denn zunehmend wird die Schäferei zum Hobby oder zum Nebenerwerb. Es sind Idealisten, die sich der organisierten Zucht dieser Tierart verschreiben, das genetische Material retten wollen. Sie erhalten alte Haustierrassen, die vom Aussterben bedroht sind.

Als Beispiel nannte Rösler das Merinofleischschaf, das Rauhwollige Pommersche Landschaf, die Moorschnucke oder das Rhönschaf. Dieser Enthusiasmus wird auch vom Land belohnt. Wer Haustiere züchtet, die auf der Roten Liste stehen, erhält Fördermittel. Für den Hobbyzüchter ist das ein Anreiz.

Existieren kann ein professioneller Hüter davon aber nicht und auch seine übrigen Einnahmen sind zum Leben zu wenig und zum Sterben zu viel. 65 Prozent seines Einkommes realisiert der Schäfer durch die Landschafts- und Deichpflege. Aber diese natürlichste Art des Naturschutzes sei der Gesellschaft noch nicht genug wert, kritisiert Rösler. Die Prämien würden in keinem Verhältnis zur erbrachten Leistung stehen. Um aber überhaupt an dieses Geld zu kommen, müssen die Herden auf Flächen gehalten werden, die in der Regel für die übrige Landwirtschaft uninteressant sind. Schafe fressen überständiges Futter auf nährstoffarmen Standorten. „Sie entsorgen die Biomasse“, bringt es Rösler auf den Punkt. Höchstleistungen sind deshalb von diesen Tieren auch nicht zu erwarten.

Die Zahl der geborenen Lämmer pro Mutterschaf sinkt. So übt der Schäfer den Spagat zwischen Landschaftspflege und der Produktion von Qualitätsfleisch. Die Lammfleischproduktion kommt dabei naturgemäß meist zu kurz, obwohl die dafür gezahlten Preise nicht schlecht sind und auch nicht den großen Schwankungen unterliegen wie die für Milch oder Schweinefleisch.

Der Schäfer kann an diesem Missverhältnis aber selbst wenig ändern. Im Gegensatz zu anderen Landwirten kann er kaum automatisieren. Der Beruf ist nach wie vor mit viel traditioneller und körperlich schwerer Handarbeit verbunden, ausgeübt vor den Augen der Öffentlichkeit. Der Spaziergänger sieht dabei nur den Schäfer in voller Tracht, auf seinen Stock gestützt, die beiden treuen Hunde an der Seite, die Herde im Blick.

Dass der Mann betriebliche Kennzahlen im Kopf hat, eine Familie ernähren will, Beiträge an die Berufsgenossenschaft zahlen muss und seinen Abend hinter dem Schreibtisch verbringt, um mit eine Fülle von Papier anschließend die Bürokratie beschäftigen zu können, das sieht der Spaziergänger nicht. So wird der Beruf des Schäfers mehr und mehr zu einer Berufung, die sich kaum rechnet. Die Folge: „Die Berufsschäfer schleichen sich aus“, formuliert es Rösler. Die wenigsten trennen sich nämlich von einem Tag auf den anderen von ihren Herden, sie reduzieren nach und nach die Tierzahl. Wer noch im Berufsleben steht, sucht sich andere Arbeit, hält nur noch so viele Tiere, wie er nach Feierabend versorgen kann. Die Suche nach einem Betriebsnachfolger war bisher meist vergebens.

Etwas Hoffnung bekommt der Berufsstand nun wieder durch die Junglandwirte- und Existenzgründerinitiative der Landesregierung. Minister Aeikens kündigte an, Junglandwirte mit maximal 700 00 Euro zu fördern. „Für die genügsamen Schäfer ist das enorm viel Geld“, so Rösler.