1. Startseite
  2. >
  3. Deutschland & Welt
  4. >
  5. Wirtschaft
  6. >
  7. Jeder Elfte zahlt Spitzensteuersatz

Abgaben Jeder Elfte zahlt Spitzensteuersatz

Immer mehr Erwerbstätige fallen unter den Spitzensteuersatz. Nach der OECD kritisieren auch die IW-Forscher die hohe Abgabenlast.

18.04.2017, 23:01

Berlin (dpa/sj) l Fast zehn Prozent der Erwerbstätigen in Deutschland zahlen den Spitzensteuersatz von 42 Prozent. Dies beträfe etwa 4,2 Millionen Arbeitnehmer, wie aus einer am Dienstag vorgelegten Studie des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln hervorgeht. Danach steuern diese knapp zehn Prozent der Top-Verdiener mit 48,2 Prozent fast die Hälfte des gesamten Einkommensteueraufkommens bei. 2,7 Millionen Erwerbstätige zahlten aufgrund zu geringer Verdienste überhaupt keine Steuern. Für sie stelle aber die Mehrwertsteuer die größte Belastung dar.

Die Studie zeige, wie stark Gering- und Durchschnittsverdiener durch Steuern und Abgaben belastet würden. So zahle ein Single mit einem Bruttogehalt von 1940 Euro im Monat 46 Prozent Steuern und Abgaben. Ein alleinstehender Durchschnittsverdiener mit 3250 Euro monatlich müsse 51 Prozent abführen. Auch die OECD hatte darauf verwiesen, dass ein Single im internationalen Vergleich hohe Steuern und Abgaben leisten müsse. Bei einem Ehepaar ohne Kinder mit einem Monats-Bruttoeinkommen von 4040 Euro betrage der Anteil an Steuern und Abgaben 47 Prozent. Dies wird erreicht durch die steuerliche Zusammenveranlagung und die kostenfreie Mitversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung sowie einer höheren Sparquote des Paares.

Unterhalb des steuerlichen Grundfreibetrags von derzeit 8820 Euro im Jahr fallen für einen Single überhaupt keine Steuern an. Bei Ehepaaren oder eingetragenen Lebenspartnern verdoppelt sich dieser Betrag auf 17 640 Euro. Hinzu kommen Freibeträge für Kinder sowie weitere Entlastungen. Sozialabgaben müssen dagegen schon ab dem ersten verdienten Euro an den Staat abgeführt werden.

Für jeden über dem Grundfreibetrag verdienten Euro ist dann ein eigener, immer höher werdender Steuersatz fällig. Er fängt für Ledige mit 14 Prozent bei einem zu versteuernden Jahreseinkommen von 8821 an und beträgt ab einem zu versteuernden Einkommen von 54 058 Euro 42 Prozent. Bei Top-Verdienern ist von 256 303 Euro an (Ledige) eine „Reichensteuer“ von 45 Prozent fällig.

Als Bemessungsgrundlage für die Einkommensteuer dient das zu versteuernde Einkommen, das deutlich vom Jahresbruttoverdienst abweichen kann. Gründe dafür sind unter anderem abzugsfähige Werbungskosten und Vorsorgeaufwendungen – etwa die gesetzlichen Beiträge zur Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung sowie private Vorsorgeprodukte. Zusätzlich zur Einkommenssteuer wird der Solidaritätszuschlag erhoben – 5,5 Prozent der Einkommenssteuer. Auch hier gibt es aber eine Freigrenze.

Nach IW-Angaben zahlen jene 30 Prozent, die in Deutschland am meisten verdienen, rund zwei Drittel der Summe aus Einkommen- und Mehrwertsteuer. Zusammen machen beide Steuerarten mit rund 700 Milliarden Euro etwa zwei Drittel der öffentlichen Einnahmen in Deutschland aus. Während bei der Einkommenssteuer Besserverdienende überproportional belastet würden, werde der Konsum unabhängig vom Gehalt mit 19 beziehungsweise 7 Prozent besteuert. Untere Einkommensschichten seien deshalb besonders stark von der Mehrwertsteuer betroffen.

Insgesamt sei die Belastung durch Steuern und Sozialabgaben hoch – auch bei durchschnittlichen Einkommen, heißt es weiter. Bei einem Bruttoeinkommen von 3250 Euro im Monat zahlten Alleinstehende bereits 51 Prozent Steuern und Sozialabgaben, wenn auch die Mehrwertsteuer berücksichtigt wird. Auch Ehepaare und Familien geben laut IW fast die Hälfte ihres Einkommens an den Staat ab. Alleinerziehende mit einem eher geringen Einkommen können dagegen fast zwei Drittel netto verbuchen, da sie keine Einkommenssteuer zahlen.

Linken-Chef Bernd Riexinger forderte eine Entlastung unterer und mittlerer Einkommen. „Im Gegenzug braucht es endlich wieder eine gerechte Besteuerung von Einkommen, die durch nichts zu rechtfertigen sind“, sagte er.