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BauernProteste in Magdeburg gegen Agrarpolitik

Viele Bauern hierzulande sind unzufrieden - und kommen nach Magdeburg, um das zu zeigen.

22.10.2019, 23:01

Magdeburg (dpa/ja) l Wie ihre Kollegen in vielen Städten bundesweit haben Sachsen-Anhalts Landwirte Dienstag mit einer großen Sternfahrt zum Magdeburger Domplatz für mehr Unterstützung geworben. Lange Treckerkolonnen fuhren aus mehreren Richtungen zum Dom. Die Polizei sprach in einer Bilanz am Nachmittag von 450 Traktoren und damit deutlich mehr als erwartet. 200 hätten auf dem Domplatz gestanden, für die anderen wurde eine Straße entlang der Elbe über mehrere Stunden gesperrt. Die Bauern hatten Plakate dabei mit Aufschriften wie „Regionale Lebensmittel gibt es nur mit uns“ oder „No Farmers, no Food, no Future“.

Ein Organisator sagte, die Landwirte wollten Gespräche anregen mit der Politik und mit der Bevölkerung. Sie sollten nicht als Buhmänner und Umweltverschmutzer dastehen, sondern die Zukunft mitgestalten und für gesunde, bezahlbare Lebensmittel sorgen. In einer Mitteilung hatte es geheißen, im wöchentlichen Rhythmus kämen neue Ideen der Politik, neue Regeln, die immer fachfremder würden und bei denen wissenschaftliche Vernunft schon lange nicht mehr gefragt sei.

Jochen Ricke aus Häcklingen, Mitglied im Bauernverband, sagte: „Seit ein paar Jahren kämpfen wir mit erheblichen Umsatzeinbrüchen, unter anderem auch wegen der Trockenheit. Problematisch ist aber auch, dass dem Import von gentechnischen veränderten Lebensmitteln zugestimmt wird, wir vor Ort aber nicht dazu befugt sind. Das ist eine erhebliche Schere, weil wir wirtschaftlich nicht mithalten können.“

Jörg Köhler aus dem Bördekreis erklärte: „Uns als Zuckerrübenanbauer stört, dass der Weltzuckermarkt durch Indien bestimmt wird. Die Zuckerrohrbauern werden dort hoch subventioniert und wir sollen hier diesen Preis akzeptieren und dafür auch produzieren, was uns leider nicht gelingt.“

Der Landwirt sieht noch ein weiteres Problem. „Die ganzen Umweltauflagen und die Bürokratie sind nicht zu unterschätzen, die wird jedes Jahr mehr. Und wir sitzen teilweise Tage und Wochen an diesen Unterlagen.“ Durch die Trockenheit der vergangenen Jahre hätten viele Ackerbauern kein Geld verdient. „Und das geht ganz schön an die Substanz“, gibt Jörg Köhler Dienstag in Magdeburg zu bedenken.

Sachsen-Anhalts Landwirtschaftsministerin Claudia Dalbert signalisierte Solidarität mit den Landwirten. Die Grünen-Ministerin war wegen der mit Traktoren verstopften Straßen zu Fuß zur Kabinetts-Pressekonferenz in den Landtag gekommen. „Im Grunde genommen war das ja eine Demonstration, die nach Respekt gerufen hat, dass die Landwirtschaft sagt, wir wollen respektiert werden als wichtige Mitbürgerinnen und Mitbürger und als wichtige Mitgestalter – das ist ja zweifellos so.“

Dalbert forderte von der Bundespolitik, für eine auskömmliche Landwirtschaft unter verlässlichen Bedingungen zu sorgen. Es gehe um die Düngeverordnung und: „Ein Landwirt führt ein Wirtschaftsunternehmen, und ein Unternehmen muss Geld verdienen, das ist sein Job. Das heißt, dass was die Gesellschaft will, müssen wir auch bezahlen.“ Jedes Wirtschaftsunternehmen brauche verlässliche Rahmenbedingungen. „Das sind zwei Eckpunkte, die die Bauern mit Recht umtreiben“, sagte die Ministerin.

Aufgerufen zu der Treckerdemo hatte die bundesweite Bewegung „Land schafft Verbindung – Wir rufen zu Tisch“. Hintergrund der Treckerdemo ist das sogenannte Agrarpaket.

In ganz Deutschland hatten Zehntausende Bauern gegen die Agrarpolitik der Bundesregierung protestiert. Ausstaffiert mit Schildern wie „Auflagenflut nimmt uns den Mut“ sorgten Tausende Trecker schon bei der Anfahrt zu den Kundgebungen in Städten wie Bonn oder Berlin für Verkehrsstörungen. Auf den Straßen nach Hannover zählte die Polizei rund 2000 Trecker, in München rund 1000 Fahrzeuge.

Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) hatte gestern im ZDF-„Morgenmagazin“ kritisiert, dass Bauern „häufig als Tierquäler und Umweltverschmutzer abgetan“ würden. Das sei „weder richtig noch fair“. Sie nimmt die Bauern aber auch in die Pflicht: Es gebe „gesellschaftliche Erwartungen“, wenn es etwa um sauberes Grundwasser gehe, sagte die Ministerin. Sie mute den Landwirten Veränderung zu – aber es gebe auch finanzielle Unterstützung, betonte Klöckner. „Wir sind an der Seite der Bauern, aber auch an der Seite der Verbraucher.“