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Landwirtschaft Grüne Kreuze gegen die Agrarpolitik

Auf Feldern stehen grüne Kreuze - auch in Sachsen-Anhalt. Landwirte machen damit auf ihre Nöte aufmerksam. Die Aktion stößt auf Kritik.

Von Elmar Stephan 14.10.2019, 06:32

Melle (dpa) l Eigentlich soll das Agrarpaket der Bundesministerinnen Svenja Schulze (SPD) und Julia Klöckner (CDU) die Landwirtschaft umweltfreundlicher machen. Es sieht unter anderem Einschränkungen für den heftig umstrittenen Unkrautvernichter Glyphosat vor, mehr Geld für Umwelt- und Klimaschutz, ein freiwilliges Tierschutzlabel und ein Aktionsprogramm für den Insektenschutz. Das klingt erst mal gut. Doch schon wenige Tage nach der Vorstellung des Pakets im September stellte der Nebenerwerbslandwirt und Agrarblogger Willi Kremer-Schillings aus dem niederrheinischen Rommerskirchen – in seinem Blog bekannt als „Bauer Willi“ – ein grünes Kreuz auf seinem Acker an einer Bundesstraße auf; als „stillen Protest“ gegen das Agrarpaket.

Inzwischen dürften bundesweit mehr als 10.000 grüne Kreuze stehen, schätzt Gabriele Mörixmann. Die Landwirtin aus Melle bei Osnabrück ist Mitinitiatorin der grünen Kreuze, zusammen mit sieben weiteren Bloggern und Bloggerinnen. „Keiner hätte zu hoffen gewagt, dass die Resonanz so groß ist“, sagt die Bäuerin. Und sie beteuert: „Die grünen Kreuze stehen für uns – es soll nicht so rüberkommen, Landwirte wären gegen Umweltschutz, gegen Tierschutz – in keinster Weise.“

Aber was ist dann eigentlich das Problem? Mörixmann erklärt, warum sie trotz Bedenken doch der Aktion mit den grünen Kreuzen zugestimmt hat. Für ihren Aktivstall, in dem die Schweine viel mehr Bewegungsmöglichkeiten und Beschäftigungsmöglichkeiten haben als in einem normalen Stall, habe sie zwar von allen Seiten viel Lob bekommen. „Fakt ist aber auch, dass ich echt dafür kämpfen muss, überhaupt Kunden für das Fleisch zu finden, Leute, die bereit sind, 30 Prozent mehr Geld dafür auszugeben.“ Die Leute sagten zwar, sie wollten Tierwohl, aber das aufwendiger produzierte Fleisch kaufe kaum jemand.

Hinzu kämen bürokratische Hürden. „Wenn ich als Landwirt in Richtung Tierwohl umbauen möchte, kriege ich in der Regel keine Genehmigung“, klagt Mörixmann. „Und für mich ist es völlig sinnbefreit, ein Agrarpaket auf den Weg zu bringen, wo auch Tierwohl ein großes Thema ist, wenn dieses Problem, das wir schon vor Jahren angesprochen haben, immer noch nicht behoben ist.“ Das Agrarpaket von Klöckner und Schulze habe bei vielen Landwirten ein Fass zum Überlaufen gebracht.

Landwirt Jürgen Langhorst aus dem niedersächsischen Kreis Diepholz regt sich über die drohenden Einschränkungen beim Düngerecht auf. Die Belastung des Grundwassers mit Nitrat in einigen Regionen Deutschlands ist zu hoch, Deutschland muss auf Druck der EU-Kommission bei den Düngeregeln dringend nachbessern. Betroffen sind vor allem Regionen mit intensiver Tierhaltung, wie im Weser-Ems-Raum in Niedersachsen oder im Münsterland. Deutschland schlägt unter anderem vor, in diesen roten Gebieten die Düngung pauschal um 20 Prozent zu reduzieren.

„Das ist alles beschlossen worden ohne fachlichen Hintergrund“, klagt Schweinehalter Langhorst. Er und sein Berufsverband, das Landvolk Niedersachsen, befürchtet große Ertragseinbußen bei der Ernte. „Das wird alles nicht gut, das wird eine große Katastrophe“, fürchtet er. Auch er hat ein grünes Kreuz aufgestellt auf seinem Acker, um mit Bürgern ins Gespräch zu kommen. Die Reaktionen seien gut.

Während die grünen Kreuze als stiller Protest gemeint sind, wollen einige Landwirte laut werden: Am 14. und am 22. Oktober soll es Protestdemos in Bonn geben, nach dem Vorbild protestierender Bauern in den Niederlanden vor einigen Tagen. Mörixmann will aber nicht, dass die Demos und die grünen Kreuze in einen Topf geworfen werden – oder dass man bei ihrer Aktion womöglich von einem „Kreuzzug“ spricht. „Es ist kein Kreuzzug – es ist ein Dialogangebot“, sagt die Landwirtin.