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Mittelstand „Burg-Beraterin“ aus Überzeugung

Wie eine Harzer Unternehmerin den Erhalt von Baudenkmälern zu ihrem Beruf gemacht hat.

Von Oliver Schlicht 07.12.2020, 00:01

Schlanstedt l Es gibt in Sachsen-Anhalt vermutlich kaum jemanden, der mit einem ähnlichen Aufgabenprofil wie die 31-Jährige eine Firma führt. „Denkmal-Konzepte“, so der Name, berät Privateigentümer, Kommunen, Vereine und potenzielle Investoren, die alte Baudenkmäler wiederbeleben möchten. Das kann eine Burg- oder Schlossruine sein, eine Dorfkirche oder eine Industriebrache. Allesamt Immobilien, auf die der Denkmalschutz mit Argusaugen schaut, wenn jemand den ersten Stein umdreht.

Wer im Umgang mit einem „alten Kasten“ Hilfe braucht, kommt zu der Beraterin. Sie selbst lebt und arbeitet mit zwei Angestellten im Erdgeschoss einer alten Burg am Huy-Höhenzug im Vorharz. Das große Gemäuer wurde von ihren aus dem Ruhrgebiet eingewanderten Eltern 2002 gekauft und wird seither mühselig und mit sehr bescheidenen Mittel auf Vordermann gebracht. Eine ewige Baustelle – wie viele Burgen.

Brümmers Burg-Büro stellt Kontakte zu Architekten her, die mit Baudenkmälern vertraut sind, vermittelt Kompromisse mit Behörden oder hilft bei Fördermittelanträgen. Sie erstellt auch Nutzungskonzepte und organisiert Workshops – so etwa 2019 für die Stadt Blankenburg, die ihre Schlösser wieder neu beleben möchte. Andere Kunden-Objekte sind zum Beispiel Schloss Walbeck und Schäfers Hof in Osterwieck. „Eine wirtschaftlich tragfähige Nutzung ermöglichen und dabei trotzdem den Charakter der alten Immobilie erhalten“ – das sehe sie als Kernaufgabe ihrer Arbeit, so Brümmer.

Von den eingangs erwähnten Felsbrocken gab es einige. „Es macht mich glücklich, wenn ein alter Giebel nicht einstürzt“, sagt sie über sich schmunzelnd. Es gibt aber noch andere – sprichwörtliche – Felsbrocken, die von der zierlichen Frau weggeräumt wurden. Die haben mit ihrer Familie und der Burg Schlanstedt zu tun. Und die sind der eigentliche Grund dafür, warum die Firma „Denkmal-Konzepte“ entstanden ist.

Die Familie – Heinz und Mechthild Brümmer haben drei Kinder – kommt ursprünglich aus Recklinghausen. „Meine Eltern waren begeistert vom Mittelalter und suchten Ende der 1990er Jahre in Ostdeutschland eine Burg, um dort leben zu können“, erzählt Angela Brümmer. Die Familie wird in Schlanstedt fündig und kann die dortige Burg „zu einem mehr symbolischen Preis“ erwerben, sagt sie.

Das verwundert kaum. Der 1000 Jahre alte Wehrturm war einsturzgefährdet. Die bis zu drei Meter dicken Mauern der Burg drohten zusammenzubrechen. „In einigen Wänden waren so große Risse, da konnte ich als Kind durchgehen“, erinnert sie sich. Schritt für Schritt beginnen – unterstützt mit Fördermitteln – Sanierungsarbeiten. Knapp eine Million Euro, sagt sie, wurden seither in das Baudenkmal investiert.

Zunächst scheint die Wiederbelebung der Burganlage eine touristisches Erfolgsstory: 2004 eröffnet eine Burgschänke „Graf Heinrich“, die von der Mutter bewirtschaftet wird. Ab 2006 können Gäste in einem Fremdenzimmer übernachten. 2008 wird ein kleines Tempelritter-Museum eingeweiht. Denn einer Legende nach wurden 1311 von Regensteinern zwölf Tempelritter auf der Burg Schlanstedt ermordet. Im November 2011 findet zum ersten Mal eine Hochzeit auf der Burg statt.

Parallel dazu studiert Angela Brümmer an der Hochschule Harz und schließt 2013 mit dem Master im Fach „Tourism and Destination Development“ ab. Noch während des Studiums gründet sie ihr erstes eigenes Unternehmen. 2013 bekommt sie beim Wettbewerb zum Wernigeröder Wissenschaftspreis einen Sonderpreis für eine Arbeit zur Zukunft der Straße der Romanik.

Schon 2012 hatte die damals erst 22-Jährige den „ego.-Businessplan-Wettbewerb“ von Landesinvestitionsbank und Wirtschaftsministerium in der Rubrik „Kreatives“ mit dem Konzept „Meine Burg!“ gewonnen. Darin war für Schlanstedt eine Zukunft auf drei Säulen beschrieben: Gastronomie, Hotellerie und Veranstaltungen.

Heute, acht Jahre später, ist davon nichts zu sehen. Einen öffentlichen Museumsbetrieb gibt es nicht. Hochzeiten finden nicht statt. Zum Jahresende 2018 hat auch die Gaststätte geschlossen. „Die ständigen Bauarbeiten an der Burg machen eine touristische Nutzung vorerst nicht möglich“, so Angela Brümmer.

Hinzu kommt: Ihre Eltern haben sich bereits vor fünf Jahren getrennt. Vater Heinz Brümmer ist inzwischen gestorben. Mutter Mechthild – Inhaberin der Burg – hat sich zur Ruhe gesetzt. Bruder Hendrik arbeitet in der Agrarwirtschaft, Schwester Anna ist eine der beiden Mitarbeiterinnen von „Denkmal-Konzepte“.

Schon seit Jahren koordiniert notgedrungen vor allem Tochter Angela die Sanierungsarbeiten an der Burg der Brümmers. Das blieb auch anderen Geschäftsleuten nicht verborgen. „Der Inhaber eines Schlosshotels fragte mich vor etwa fünf Jahren, ob ich mich um ein Bauprojekt bei ihm nicht in ähnlicher Weise kümmern kann wie in Schlanstedt“, erinnert sie sich. Das war so etwas wie die Geburtsstunde ihres heutigen Unternehmens. Vor allem die Erfahrungen der Lebensschule in Schlanstedt haben aus Angela Brümmer eine „Burg-Beraterin“ werden lassen – seit diesem Jahr auch über die Landesgrenze hinaus in Berlin und Brandenburg, erzählt sie.

In Sachsen-Anhalt gehört aktuell die alte Schuhfabrik in der Stadt Burg zu ihren Projekten. Die teils mit Neo-Jugendstil-Elementen verzierte Industrieanlage stammt aus der Kaiserzeit. Der Magdeburger Bauunternehmer Robert Janssen will mit den Überresten des Klinkerbaus eine Wohnanlage errichten. „19 barrierefreie Wohnungen, sechs Millionen Euro sollen investiert werden“, erzählt er.

Mit der Unteren Denkmalschutzbehörde habe er öfter schon zu tun gehabt. Über Brümmer habe sich vor allem der Austausch mit der Oberen Denkmalschutzbehörde in Halle gut entwickelt. „Sie war da ein wichtiger Vermittler in der Frage: Was geht und welche Kompromisse sind möglich?“, so Janssen. Bis Ende 2022, hofft der 61-Jährige, wolle man mit dem Bauprojekt fertig werden. „Die Unterstützung von Angela Brümmer hilft uns dabei“, sagt der Bauunternehmer.