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Waffenindustrie Russland feiert 100 Jahre Kalaschnikow

Die Kalaschnikow-Waffenschmiede feiert das Jubiläum groß und hofft ungeachtet westlicher Sanktionen auf neue Kunden.

09.11.2019, 23:01

Moskau (dpa) l Russland feiert die berühmteste Waffe der Welt – und ihren Erfinder Michail Kalaschnikow. 2013 starb der Konstrukteur des Sturmgewehrs mit dem gekrümmten Magazin – Awtomat Kalaschnikowa AK-47. Am 10. November wäre die schon zu Lebzeiten verehrte Legende 100 Jahre alt geworden. Zu Ehren Kalaschnikows gibt es viele Veranstaltungen und seit ein paar Jahren auch ein großes Denkmal in der Hauptstadt Moskau. Vor allem aber nutzt Russland das Jubiläum, um seine Erfolge im Waffenexport auf einem umkämpften Rüstungsmarkt zu feiern – trotz Sanktionen des Westens.

Vor gut fünf Jahren hatte der Kalaschnikow-Konzern schon die USA im Visier, um auf dem riesigen Waffenmarkt in Nordamerika Fuß zu fassen. Dann kam der Ukraine-Konflikt. Russland annektierte gegen internationalen Protest die ukrainische Schwarzmeer-Halbinsel Krim und unterstützte Separatisten im Osten der Ukraine. Die Folge waren Sanktionen der USA und der EU – und das vorläufige Ende der rosigen Verkaufsaussichten. Seither bemüht sich der größte russische Waffenbauer, auf den 95 Prozent der einheimischen Produktion entfallen, verstärkt um andere Kunden im Ausland.

Die Marke Kalaschnikow solle weiter expandieren – und das "Image Russlands international festigen", sagte Generaldirektor Dmitri Tarassow bei einer Präsentation Ende Oktober vor Diplomaten in Moskau. Mögliche Märkte seien Brasilien, Südafrika, Nigeria, Indonesien, die Philippinen und Thailand. Schon jetzt liefert die Unternehmensgruppe in 27 Staaten. Größtes Exportpotenzial habe dabei freilich die neue 200er Markenlinie AK mit den Typen AK-201, AK-202 und AK-204 sowie AK-15, sagte Tarassow.

Dabei wirbt der Konzern längst auch für andere Produkte – unter anderem für Drohnen und Boote sowie für Jagd- und Sportwaffen. Im Angebot sind auch Outdoor-Kleidung, Souvenirs in einer Boutique in Moskau und sogar Medizintechnik und Mikroelektronik. Der russische Präsident Wladimir Putin hatte noch zu Lebzeiten des Konstrukteurs den Kalaschnikow-Konzern gründen lassen, der aus den damals maroden Unternehmen Ischmasch und Ischmech hervorging. Nach dem Tod Kalaschnikows 2013 im Alter von 94 Jahren legte Putin zudem per Dekret fest, das Andenken an den Namensgeber besonders zu pflegen.

Durch die AK-Geschosse würden jedes Jahr rund eine Viertel Million Menschen sterben, heißt es in einem Behörden-Dokument zum Jubiläum. Dabei betonte Kalaschnikow stets, dass nicht die Konstrukteure, sondern die Politiker für den Einsatz von Waffen und Gewalt verantwortlich seien. "Ich habe nur eine Waffe zum Schutz der Heimat entwickelt", sagte der hochdekorierte Generalleutnant einmal. 1947 war das – daher der Name AK-47. Zwei Jahre später – vor 70 Jahren – nahm die Sowjetarmee 1949 die "Kalascha" in den Dienst.

Doch die wenigsten der rund 100 Millionen Kalaschnikows weltweit sind nach russischen Angaben Originale. Auf 90 Prozent schätzt Russland die Zahl der Nachbauten, die sich oft in den Händen von Terroristen, Gangstern, Rebellen und Piraten befänden. Dass es so viele sind, hängt damit zusammen, dass das Sturmgewehr zu Sowjetzeiten keinen internationalen Patentschutz hatte – und es so oft nachgebaut wurde.

Die robusten und leicht handhabbaren Sturmgewehre hätten sich vor allem bei den Kriegen im Irak und in Afghanistan sowie aktuell in Syrien bewährt, meinen russische Waffenexperten. Das US-Magazin "The National Interest" kürte das aus Sowjetzeiten stammende Sturmgewehr dieses Jahr zur Nummer 1 unter vergleichbaren Waffen. Die AK versage auch unter härtesten Bedingungen im afrikanischen Wüstensand oder in der Kälte der Arktis nicht, meinte der Waffenexperte Sergej Sajnullin im russischen Militär-TV-Kanal Swesda. Weder Schmutz noch Wasser könnten ihr etwas anhaben.

Die Kalaschnikow wird aber nicht nur als Handfeuerwaffe genutzt, sondern auch auf Panzer und andere Fahrzeuge montiert. Das große Geld verdient Russland allerdings längst mit anderen Rüstungsgütern – zum Beispiel mit Kampfflugzeugen vom Typ Suchoi oder dem Luftabwehrsystem S-400. Als erstes Nato-Land kaufte unlängst die Türkei das System – zum Ärger der USA.

Dabei schätzen die Abnehmer, dass die Waffen im Vergleich zu US-Modellen oft günstiger sind. Allein in diesem Jahr haben nach Angaben des staatlichen Rüstungsexporteurs Rosoboronexport Kunden in rund 43 Staaten russische Rüstungsgüter für elf Milliarden US-Dollar (9,9 Mrd. Euro) bestellt. Stark vertreten seien afrikanische Staaten.

Die Auftragsbücher seien auf Jahre gut gefüllt mit einem Gesamtumfang von 50 Milliarden US-Dollar (45 Mrd. Euro), teilte der Generaldirektor Alexander Michejew erst am vergangenen Freitag mit. Kampfjets vom Typ Su-57 und Militärhubschrauber der Typen Mi-28NE und Mi-171Sch seien darunter. Aber eben auch Kalaschnikows der 200er Serie – die es auch für Nato-Patronen gebe. Passend zum 100. Geburtstag des Erfinders teilte Michejew mit, dass es trotz der Sanktionen gelungen sei, nun in Indien die erste gemeinsame Produktionsstätte der AK-200er-Linie in Betrieb zu nehmen.