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Europaschule Eine Liebe auf den dritten Blick

Jörg Wenske ist Vorsitzender des einzigen Pferdezuchtvereins an einer Schule. Der Halberstädter kam eher zufällig in dieses Amt.

Von Sabine Scholz 16.12.2017, 00:01

Halberstadt l Als Kind, sagt Jörg Wenske, da hatte er täglich Kontakt zu Pferden. Wenn die Kaltblüter morgens in Emersleben auf den Acker mussten. Doch Ende der 1960er Jahre mussten die Pferde weg. Und da lernte Jörg Wenske etwas von seinem Vater, das sehr viel später in seinem Leben wieder eine Rolle spielen sollte: „Pferde sind deine Freunde. Die isst man nicht.“ Als Kind habe er Angst gehabt, dass die imposanten Tiere zu Wurst verarbeitet werden würden.

Bis 2003 sollte der 1961 Geborene zunächst nichts mehr mit Pferden zu tun haben. Erst an der Europaschule Am Gröpertor spielten die Vierbeiner wieder eine wichtige Rolle. Inzwischen ist er Vorsitzender des Pferdesport- und Zuchtvereins an der Schule. Eine deutschlandweit vermutlich einmalige Verbindung.

Auch wenn der Vater Landwirt mit Leib und Seele war, Jörg Wenske zog es nicht in diese Richtung. Ihn interessierte Technik, er absolvierte eine Berufsausbildung mit Abitur, ist gelernter Facharbeiter für Holztechnik/Sägewerkstechnik. Aber der Job war ihm zu langweilig, also ging er nach Berlin an die Humboldt-Uni, studierte. Als Lehrer für Polytechnik kehrte er in die Heimatregion zurück, unterrichtete in Dedeleben, Schwanebeck und ab 1989 in Halberstadt, unterrichtete an fast allen Sekundarschulen der Stadt Informatik.

„Ich habe die Studienwahl nicht bereut, auch wenn es Liebe auf den dritten Blick war“, sagt der Familienvater. Nach der Wende war Polytechnik nicht mehr so gefragt, eine Entwicklung, die er immer noch für falsch hält, denn regelmäßig einen Einblick in die Arbeitswelt zu erhalten, erleichtere Schülern die Berufswahl. Jetzt werden viele neue Wege gesucht, um eben diese Berufsorientierung wieder zu ermöglichen. Aber Wenske ist Pragmatiker. Polytechnik sollte nicht mehr unterrichtet werden, also sattelte er um, absolvierte noch eine weitere Ausbildung zum Religionslehrer.

Der Handballfan verbringt inzwischen viel Zeit an den und für die Ställe am Schulgelände, denn er war 2004 gefragt worden, ob er nicht die Pferdezucht betreuen wolle. Diese Aufgabe oblag seit Gründung der Pionier- und FDJ-LPG in den 1960er Jahren an der damals John-Schehr-Schule heißenden Bildungseinrichtung immer den Polytechniklehrern. Er stimmte zu, nicht ahnend, was alles dranhängt an dieser Aufgabe. Inzwischen ist er Vorsitzender des Vereins, der die Pferdezucht betreibt, weil das eine Schule in Deutschland nicht tun darf. Aber zumindest eine enge Verzahnung ist gegeben, die Schüler belegen in unterschiedlichsten Klassenstufen Kurse. Sie können reiten lernen, sie lernen, sich um die Tiere zu kümmern, den Stall auszumisten, Koppeln aufzubauen und vieles mehr. Liebe zum Tier, Ausdauer, Zuverlässigkeit, Ordnungssinn, Verantwortungbewusstsein wird dabei fast „nebenbei“ vermittelt. Wobei der Arbeitsaufwand schon enorm ist, um die Haflingerzucht am Leben zu erhalten und Geld einzuwerben. „Machen kann ich das nur, weil das Kollegium hinter mir steht. Die halten mir den Rücken frei, so wie meine Familie“, sagt Wenske, der sich sichtlich wohlfühlt an der Schule mit Schwerpunktprofil Sport und Pferdezucht.