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MDR-Intendantin Wille setzt auf Dialog mit den Zuschauern

MDR-Intendantin Karola Wille will die jüngeren Zuschauer im Internet abholen. Alles gefallen lassen müsse man sich im Netz aber nicht.

Von Interview: Von Birgit Zimmermann und Andreas Heimann, dpa 27.12.2015, 07:58

Leipzig (dpa) - Seit fast fünf Jahren ist Karola Wille Intendantin des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR). Anfang 2016 wird sie ARD-Vorsitzende. Pauschal von einer Glaubwürdigkeitskrise der Medien zu sprechen, hält sie für falsch.

Der Dialog mit den Zuschauern werde aber immer wichtiger, sagt sie im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. Und um jüngere Mediennutzer zu gewinnen, gehe am Internet kein Weg vorbei. Mehr Online-Präsenz ist für ihren Sender deshalb das Ziel. Und den Tatort aus Weimar soll es auch künftig geben.

Frage: Stichwort Lügenpresse - haben die Medien an Glaubwürdigkeit verloren?

Antwort: Von einer Glaubwürdigkeitskrise der Medien zu sprechen, ist zu pauschal. Wenn Sie sich die Zahlen ansehen, stellen Sie fest, dass die Glaubwürdigkeitswerte der öffentlich-rechtlichen Medien immer noch gut sind, was nicht heißt, dass wir sie nicht immer wieder untermauern und festigen müssen.

Frage: Wie geht das?

Antwort: Dazu gehört, die Vielfalt der Meinungen einer Gesellschaft abzubilden und differenziert zu berichten. Wir nehmen jede Zuschauerpost ernst, natürlich auch kritische Hinweise. Dialog und Kommunikation mit dem Zuschauer und Nutzer werden immer wichtiger. Wir haben auch unsere Netzwelt für Nutzerkommentare nicht geschlossen. Das ist ein Weg zu reflektieren, was unsere Nutzer über unsere Angebote denken. Aber klar ist auch: Bei uns ist kein Platz für Hass, und wir löschen auch solche Kommentare.

Frage: Der MDR wird von Kritikern als Staatsfernsehen geschmäht. Wie steht es um die Staatsferne?

Antwort: Unsere drei Länder haben angekündigt, dass sie angesichts des ZDF-Urteils des Bundesverfassungsgerichtes bei der Zusammensetzung der Aufsichtsgremien Handlungsbedarf sehen.

Frage: Zum neuen Chef des MDR-Rundfunkrates ist mit Steffen Flath ein Ex-Minister und altgedienter CDU-Mann gewählt worden. Das sieht nicht nach Staatsferne aus.

Antwort: Herr Flath ist demokratisch gewählt. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil Staatsvertreter nicht aus den Gremien ausgeschlossen. Letztlich kommt es auf Haltung und Handlung an.

Frage: Hätten Sie sich trotzdem eine andere Personalie gewünscht?

Antwort: Wir haben längst die Gespräche unter anderem zum Start in den ARD-Vorsitz aufgenommen.

Frage: Ist der Betrugsskandal beim Kika schon Geschichte?

Antwort: Wir haben dieses Jahr den Abschlussbericht vorgelegt. Aber das Thema Wiedergutmachung ist noch nicht abgeschlossen. Es geht um einen Gesamtschaden von circa zehn Millionen Euro und wir sind dabei, jede rechtliche Möglichkeit zu nutzen, noch mehr Geld zurückzubekommen. Arbeitsrechtlich und strafrechtlich ist das Kapitel abgeschlossen.

Frage: Wie hat sich der Rundfunkbeitrag für den MDR entwickelt?

Antwort: Wir haben wie alle anderen ARD-Anstalten auch Mehreinnahmen aus dem neuen Beitragsmodell. Sie sind aber zum größten Teil für uns nicht zugänglich, weil das meiste in Rücklagen eingestellt werden musste.

Frage: Insgesamt ist ihre Bilanz zum Rundfunkbeitrag positiv?

Antwort: Aus Sicht des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist dieses neue Beitragsmodell erfolgreich gewesen. Die Ziele sind erreicht worden: Der Rückgang der Einnahmen wurde gestoppt, es gibt Stabilität, es ist zukunftsfähig und gerecht.

Frage: Wie wichtig bleibt lineares Fernsehen, so wie wir es kennen?

Antwort: Zumindest bei der jungen Zielgruppe lernen wir, dass Fernsehen nicht mehr das Leitmedium ist. Die Jungen sind sehr stark in der Internetwelt unterwegs. Die Frage ist, setzt sich dieser Trend fort? Wenn ich bei den jungen Menschen sein möchte, muss ich jedenfalls stark im Netz sein. Deshalb ist es erklärtes Ziel, dass wir unsere Online-Präsenz stärken wollen.

Frage: Können Sie sich vorstellen, dass es irgendwann kein lineares Fernsehen mehr gibt?

Antwort: In meiner Amtsperiode erlebe ich das nicht mehr. Die Frage ist, wie strukturkonservativ ist der Mensch? Wie wichtig ist, dass man am Sonntag um 20.15 Uhr den Tatort sehen möchte? Und wofür steht lineares Fernsehen in der Zukunft? Live-Übertragungen werden dabei ein wesentliches Element sein.

Frage: Serien wie Weissensee sind ausgesprochen erfolgreich - wie geht es damit weiter?

Antwort: Die dritte Staffel in diesem Herbst war sogar die zuschauerstärkste von allen. Wir hatten einen durchschnittlichen Nutzeranteil von 15,7 Prozent, das waren 4,72 Millionen Menschen, und haben bewiesen, dass wir exzellentes serielles Fernsehen können. Wer vor dem Bildschirm saß, hat sich in die Zeit zurückversetzt gefühlt, mir ging das jedenfalls so. Und wir haben auch jüngeres Publikum damit erreicht. Es spricht also alles dafür, dass es noch eine weitere Staffel gibt. Ich glaube, dass es zum Beispiel spannend ist, die Geschichte der Treuhand mit fiktionalen Mitteln zu erzählen. Da ist noch ganz viel Stoff.

Frage: Wie geht es mit dem Thüringen-Tatort nach dem Aus des Erfurter Teams in diesem Jahr weiter?

Antwort: Die Fortsetzung des Tatorts aus Weimar mit Nora Tschirner und Christian Ulmen steht. Der Weimar-Tatort ist jetzt der Thüringen-Tatort.

Frage: Was nehmen Sie aus Ihren Erfahrungen als MDR-Intendantin mit in die Arbeit als ARD-Vorsitzende?

Antwort: Es gibt in schwierigen Zeiten immer Lösungen.

Frage: Und was würden Sie machen, wenn Sie auf Geld keine Rücksicht nehmen müssten?

Antwort: Schöner Traum: Wenn ich plötzlich zehn Millionen hätte, würde ich in Innovationen im Programm und im Onlinebereich investieren.

ZUR PERSON: Prof. Karola Wille (56) ist promovierte Juristin und seit 2011 Intendantin des MDR in Leipzig. Die Universität Leipzig verlieh ihr 2002 eine Honorarprofessur für Medienrecht. Anfang 2016 wird sie ARD-Vorsitzende als Nachfolgerin von NDR-Intendant Lutz Marmor.

ARD zur Aufgabe der Intendanten

Biografische Informationen zu Karola Wille