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Chuzpe - Klops braucht der Mensch

Es gibt nur wenige Ausnahmeschauspieler in diesem Land, die Komödie und Drama gleichermaßen beherrschen. Dieter Hallervorden konnte es schon immer - und darf es am Samstagabend wieder zeigen.

Von Klaus Braeuer, dpa 04.09.2015, 23:01

Berlin (dpa) - Palimpalim. Dieses Wort (es steht für eine Ladenklingel) hat ihn unsterblich gemacht. Dieter Hallervorden feiert an diesem Samstag seinen 80. Geburtstag. Und da lässt es sich die ARD nicht nehmen, ihm gleich einen ganzen Abend zu widmen.

Zunächst kommt der Spielfilm Chuzpe - Klops braucht der Mensch (20.15 Uhr, Das Erste). Im Anschluss (21.45 Uhr) folgt die Dokumentation Dieter Hallervorden - Ein Mann mit Humor und Tiefgang von Cornelia Quast.

Der Spielfilm beginnt in Marseille, wo Edek Rotwachs (Dieter Hallervorden) seine Tochter Ruth (Anja Kling) wiedersieht. Mehr als 60 Jahre hat der Holocaust-Überlebende mit seiner Frau in Australien gelebt, aber nach ihrem Tod holt ihn die Tochter nach Berlin, wo er mit ihrer Familie leben soll: Ehemann Georg (Hans-Jochen Wagner) und Sohn Zachy (Tilman Pörzgen).

Doch schon im Hotel lernt Edek die lebenslustige Polin Zofia (Franziska Troegner) kennen - und verliebt sich in sie. In Berlin angekommen, wandert er verloren durch die Stadt, hört im Geiste das Stiefelgetrappel und Kindergelächter von früher. Mit Hilfe von Zachy und dem Internet findet er Zofia wieder, und sie zieht mit ihrer Freundin Valentina (Natalia Bobyleva) in seine viel zu große Wohnung.

Alle drei eröffnen in einem Hinterhof die Kneipe Klops mit sagenhaften Klöpsen, die Zofia eigenhändig herstellt. Das Lokal wird alsbald zur Kultstätte der bodenständigen und deftigen Küche: Essen als ein Stück Heimat und Familie.

Regisseurin Isabel Kleefeld verfilmte die deutsch-jüdische Familiengeschichte nach Motiven des Romans Chuzpe der australisch-amerikanischen Erfolgsautorin Lily Brett. Leider tüncht der Film nahezu alle Dialoge mit aufdringlicher Klarinettenmusik zu - ohne die kommt offenbar kein Film mit jüdischer Thematik aus. Einige romantische Musikstücke indes gibt es aber auch. Insgesamt hätte der Film deutlich mehr Tempo und etwas weniger Dialekt gut vertragen können.

Die Schauspieler agieren allerdings mit großer Spielfreude, vor allem Franziska Troegner als dralle Klopsköchin. Die Rolle für Anja Kling ist etwas undankbar geraten, da sie viel mit den Augen rollen und sich entrüsten muss: Ich fasse es nicht. Ihr Problem kann sie aber nicht wirklich erklären - vermutlich, weil sie von allerlei Ängsten geplagt wird und überall Probleme sieht, und weil sich ihr Vater wohl nicht gerade altersgerecht verhält.

Die Rolle des Edek Rotwachs haben auf den Theaterbühnen bereits Joachim Bliese (Hamburg) und Otto Schenk (Wien) gespielt. Im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa in Hamburg erzählt Dieter Hallervorden über seine Figur: Diese Rolle war eine ungeheure Herausforderung. Wenn sich jemand im Alter von über 80 Jahren entschließt, alle Brücken abzubrechen und ein neues Leben anzufangen gerade dort, wo ihm so übel mitgespielt worden ist - dann muss das schon eine Person sein, die wirklich bereit ist, das bisher geführte Leben völlig umzukrempeln. Diese Figur ist quasi ein Vulkan aus Gefühlswelten, und die Rolle ein schmaler Grat zwischen Schmunzeln und zutiefst Berührtsein. Edek nimmt sein Leben also nochmals in beide Hände nach dem Motto: Solange man Kind bleibt, wird man nicht wirklich alt.

Dieter Hallervorden konnte in den letzten Jahren wieder da anknüpfen, wo er mit TV-Charakterrollen wie in Das Millionenspiel (1970) angefangen hatte. Filme wie Sein letztes Rennen (25.9., Arte - Hallervorden hat sich für die französische Fassung selbst synchronisiert) oder Honig im Kopf (bislang über sieben Millionen Zuschauer im Kino) seien hier genannt. Dazwischen lag viel Didi-Comedy wie Nonstop Nonsens oder Hallervordens Spott-Light.

Die Komödie Chuzpe (der Begriff steht laut Duden für Frechheit, Anmaßung, Dreistigkeit, Unverschämtheit) ist insgesamt etwas zu märchenhaft geraten - obgleich Hallervorden als liebenswerter Schelm zu überzeugen weiß; allein seine jüdische Sprachfärbung macht das Verstehen für den Zuschauer mitunter etwas schwierig. Seine Redewendungen wie Ich denke nach. Sowieso, So ein Schlamassel! oder Ich esse alles, was schmeckt! sind allerdings hübsch. Dass er ein waschechtes Schlitzohr ist, wird auch nicht nur damit deutlich.

So manchen ernsten Unterton gibt es auch, wenn Edek Rotwachs zum Beispiel seiner Tochter das Gegensätzliche der Begriffe dauerhaft und vergänglich erklärt: Selbst in meinem Alter hat der Tag wieder ein Gesicht. Schöner kann man die pure Lebensfreude dieses jungenhaft verliebten Mannes kaum ausdrücken.

Chuzpe - Klops braucht der Mensch