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TV-Tipp Das freiwillige Jahr

Erst vor wenigen Monaten lief das Drama im Kino, jetzt ist es schon im Fernsehen zu sehen. In "Das freiwillige Jahr" trifft ein überengagierter Vater auf die ratlose Generation Z.

26.05.2020, 23:01

Berlin (dpa) - Irgendwie meint er es nur gut - doch macht er so ziemlich alles falsch und im wahrsten Sinne kaputt: Mit Karacho stürzt sich Urs (Sebastian Rudolph) durch die Tür seines Bruders, den er im Alkoholdelirium vermutet.

Staunend stehen dessen Nachbarn davor und starren das Loch an. Es steht symbolisch für all das, was Urs in seinem Leben einreißt - vor allem bei seiner Tochter.

Für Jette (Maj-Britt Klenke) hat der alleinerziehende Dorfarzt ein Freiwilliges Soziales Jahr in Costa Rica organisiert. Nur ist die Tochter davon nicht sehr überzeugt - und dreht schließlich mit ihrem Freund Mario vor dem Flughafen ab und ergreift erst einmal die Flucht. Die ARD zeigt im "FilmMittwoch im Ersten" (20.15 Uhr) "Das freiwillige Jahr", der erst im Februar in den Kinos gestartet war.

Ulrich Koehler und Henner Winckler komprimieren darin drei Tage aus Urs' und Jettes Leben auf nicht einmal anderthalb Stunden. Diese zeigen aber eindrücklich das Vater-Tochter-Drama, das gewissermaßen einen umgekehrten Generationenkonflikt darstellt: Es ist Urs, der das Leben auf dem Land satt hat - aber Jette in die weite Welt schicken will. Die wiederum entspricht dem Klischee der Generation Z: zu viele Auswahlmöglichkeiten. Sie weiß nicht, was sie will.

Mit der Tochter, dem trinkenden Bruder, einer Affäre mit seiner Angestellten, die wiederum eigentlich in einer Beziehung ist, und einem Flüchtling, den er bei sich aufnehmen will, hat Urs viel zu viel am Hut. Und so simpel er klingt, bringt doch ein Satz seine Überforderung auf den Punkt: "Weißt du, du kannst es nicht immer allen recht machen." In den wenigen Stunden, die der Film in Urs' Leben blickt, gibt es immer wieder Verwerfungen mit anderen.

Jette wiederum will ihre Jugendliebe, aber sie will auch den Wünschen ihres Vaters entsprechen. Zugleich weist sie ihm den Weg, wenn es für ihn alles zuviel wird. Immer wieder kocht der Konflikt auf, oft scheint das allerdings nur der Zuschauer zu bemerken - nicht Urs.

Weil die beiden Hauptfiguren so charakteristisch für das deutsche Bürgertum stehen, ist der Film mehr als die Geschichte nur irgend eines Vaters und seiner Tochter. Es geht um Freiheit, Verantwortung und Spießigkeit, um Wünsche versus Realität. Und um den Versuch, im Prozess des Erwachsenwerdens ein Maß der Rebellion zu finden, mit dem man sich vom Elternhaus abnabeln kann, ohne Wunden zu hinterlassen.

Das freiwillige Jahr