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Galerie Kaufhof Karstadt Ein Häuserkampf

Filialie in Dessau vor dem Aus / Standorte Magdeburg und Halle sollen fortbestehen

Von Herbert Spies 19.06.2020, 23:01

Magdeburg/Dessau l Um 13.35 Uhr am Freitag kommt Unruhe auf in der Karstadt-Filiale in Magdeburg. Die Beschäftigten geleiten die verdutzten Kunden hastig nach draußen. Die Zeit drängt, denn um 14 Uhr beginnt im zweiten Stock im Restaurant eine außerordentliche Betriebsversammlung. Dabei will die Geschäftsführung des in Essen (NRW) ansässigen Warenhauskonzerns bekanntgeben, welche der 62 von bundesweit insgesamt 172 Filialen vor dem Aus stehen. Insgesamt 5317 der der 28 000 Mitarbeiter werden dadurch nach Angaben des Gesamtbetriebsrates ihre Arbeit verlieren. Jeder hat Angst, vielleicht dazuzugehören. Gerüchte gab es vorab viele, jetzt droht Gewissheit.

Nach nur 25 Minuten ist die Veranstaltung beendet. Trotz der großen, schwarzen Gesichtsmaske ist Filialgeschäftsführer Andre Tworowski die Erleichterung anzusehen: „Die Mitarbeiter freuen sich sehr, und es ist auch positiv für die Stadt Magdeburg.“

Ein alter Mann kommt im Erdgeschoß auf den Geschäftsführer zu und fragt nur: „Und?“ Andre Tworowski nickt und sagt freudig: „Wir bleiben.“ Daraufhin ruft der alte Mann: „Gott sei Dank! Das ist eine gute Nachricht.“

Getrübt wird die Freude der 114 Karstadt-Mitarbeiter in der Landeshauptstadt von der Nachricht, dass die Kaufhof-Filiale in Dessau geschlossen werden soll. Der Standort Halle als dritter der drei Standorte in Sachsen-Anhalt soll nach Unternehmensangaben bestehen bleiben. „In Dessau sind rund 60 Beschäftige betroffen. Bis Ende Oktober soll das Haus noch betrieben werden“, sagt Jörg Lauenroth-Mago, Landesfachbereichsleiter Handel der Gewerkschaft Verdi. „Für die Angestellten ist das eine total grausame Situation. Und auch für die Stadt Dessau ist es eine Katastophe, denn der Kaufhof ist dort ein Leuchtturm“, so Jörg Lauenroth-Mago weiter.

Betroffen von den Schließungen im Zuge des Sanierungsverfahrens der Warenhauskette sind Häuser in allen Bundesländern außer in Thüringen. Allein in Berlin sollen sechs der elf Galeria-Karstadt-Kaufhof-Filialen geschlossen werden. Außerdem soll die geplante Filiale in Berlin-Tegel gar nicht erst öffnen.

Der vom Unternehmen geplante, bundesweite Personalabbau von zehn Prozent in allen verbleibenden Filialen ist laut Verdi und Gesamtbetriebsrat abgewendet. „Die Schließungswelle bei Galeria Karstadt Kaufhof ist für Deutschlands Innenstädte nur die sichtbare Spitze eines Eisberges in Kollisionsnähe. Es droht eine Insolvenzwelle im Einzelhandel“ befürchtet Detlef Gürth, der Landesvorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung in Sachsen-Anhalt (MIT). Am Montag wird das Sanierungskonzept dem Gläubigerausschuss vorliegen. „Solange die Filialen nicht geschlossen sind, werden wir alles probieren. Das wird jetzt ein Häuserkampf“, kündigt Jörg Lauenroth-Mago von Verdi an.