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Getreideernte Gutes Korn, aber zu wenig

Die Mähdrescher ziehen wieder ihre Kreise auf den Feldern im Elbe-Havel-Land und bringen die Ernte 2019 ein.

Von Anke Schleusner-Reinfeldt 24.07.2019, 16:00

Scharlibbe l Auch wenn die Qualität sehr gut ist, mangelt es an der Menge. Durchschnittlich minus 20 Prozent auf der Waage sind nach dem schon unterdurchschnittlichen Dürrejahr 2018 nur schmerzlich zu verkraften.

Der Regen am Wochenende hat die Mähdrescher erst einmal ausgebremst. Aber das ist gar nicht schlimm, die Zeit drängt nicht. Denn sie rollen gut eine Woche eher als üblich. „Wir können hier jeden Tropfen Regen gebrauchen“, ist Arnim Glimm von der Scharlibber Agrargenossenchaft Elbeland erleichtert über den ergiebigen Niederschlag. Der kommt für das Getreide zwar zu spät, aber Mais und Zuckerrüben lechzen nach Wasser. Die auf den sandigen Böden nur mickrig vor sich hin kümmernden Maispflanzen, teils schon vertrocknet, werden das Defizit allerdings icht mehr ausgleichen können, teilweise sind nicht mal Kolben angesetzt. „Der Mais steht ganz unterschiedlich. Auf den schweren Böden in Elbnähe können wir zufrieden sein. Aber beim Blick über die Maisfelder auf den sandigen Flächen, die ja hier am häufigsten vorkommen, könnte man heulen.“ Denn Arnim Glimm weiß, dass quasi jede Pflanze gebraucht wird, da schon im vergangenen Dürrejahr viel zu wenig Maissilage eingelagert wurde. „Die Silos sind leer. Wir müssen unsere Biogasanlage „füttern“ und haben auch Verträge zu erfüllen.“

Während der Mais noch ein paar Wochen Zeit hat, um zu wachsen, ist das Getreide reif, zum Teil notreif. Die Gerste ist schon von den Feldern. Auf 140 Hektar hat die Agrargenossenschaft sie angebaut. „Die Qualität war sehr gut. Aber bei der Menge gibt es ein Minus von bestimmt zehn Prozent“, resümiert Arnim Glimm.

Dieser Tage ziehen die beiden Scharlibber Mähdrescher ihre Kreise auf den Roggenfeldern. 127 Hektar sind im Herbst bestellt worden –und im Frühjahr schlecht gewachsen, weil der Regen fehlte. Deshalb wurden Ende Mai auch 25 Hektar der bis dato spärlich herangewachsenen Pflanzen für Grünschnitt gemäht. Denn das wegen Regenmangels nur spärlich gewachsene Gras des ersten Schnittes in diesem Jahr hätte nicht für die Versorgung der Biogasanlage gereicht. Also sind nun nur noch 102 Hektar Roggen zu ernten. Er ist von so guter Qualität, so dass er als Brotroggen dient. Die Preise dafür sind dank abgeschlossener Vorverträge für die Scharlibber Genossenschaft sehr gut. „Aber leider ernten wir 20 Prozent weniger, so dass sich die Einnahmen in Grenzen halten“, so Arnim Glimm.

Ähnlich, eher schlechter, wird es beim Raps aussehen. Der war nach der Aussaat im Herbst wegen des fehlenden Regens sehr schlecht aufgegangen und hatte dann nach dem halbwegs gut überstandenen Winter unter der Trockenheit im Frühjahr enorm gelitten.

Bei den 230 Hektar Weizen bleiben die Ergebnisse abzuwarten, auf den besseren Böden sieht es gut aus. Und auch die 37 Hektar Triticale (Kreuzung aus Weizen und Roggen) stehen gut.

Bis Mitte August ist Erntezeit. „Jetzt fahren wir das ein, wofür wir das ganze Jahr gearbeitet haben“, blickt Arnim Glimm mäßig zufrieden auf den Roggen, der gerade vom Mähdrescher auf den nebenher fahrenden Traktoranhänger befördert wird. Hinter dem Lenkrad des JD W650i, der neuesten Errungenschaft der Agrargenossenschaft, sitzt Arnim Glimm selbst. Er und der gerade pensionierte Dieter Möller lösen die beiden Mähdrescherfahrer Arno Zimmermann und Enrico Walther mittags und abends ab, damit sie Zeit zum Essen haben.

„Das macht einfach nur Spaß“, sagt Arnim Glimm bei einer Abendrunde auf einem Roggenfeld bei Klietz, bei der die Volksstimme ebenfalls Platz in der geräumigen Fahrerkabine genommen hat. Kein Wunder! Die Technik ist hochmodern. Denn der Mähdrescher ist niegelnagelneu! Der zweite, der nebenher fährt und bereits zwölf Jahre alt ist, wurde gerade technisch nachgerüstet. Fast könnte man meinen, die Maschine macht dank GPS und Computersteuerung alles allein, denn sogar das Lenken übernimmt sie. „Aber man muss schon noch sehr aufmerksam sein und alles im Blick behalten.“

Und „im Blick zu halten“ gibt es eine Menge. Zwei Displays informieren den Fahrer über alles, was er über den Mähdrescher selbst und vor allem das, was gerade geerntet wird, wissen muss: Menge, Feuchtigkeit, Geschwindigkeit ... Wenn der Bunker voll ist, leuchtet ein Signal am Mähdrescher auf – gut sichtbar für den Traktorfahrer, der dann zum Abbunkern anrollt und die Ernte zum Getreidehandel bringt.

Alle Befehle werden über einen Joystick gegeben, Gaspedal und Bremse gibt es nicht mehr. Der Computer rechnet genau aus, wo entlang der Mähdrescher fährt, damit kein Halm stehen bleibt. Schnurgerade liegt das Stroh auf der abgeernteten Fläche, einen Tag später kommt die Strohpresse und macht daraus Ballen – Futter und Einstreu für den Winter. Wenn ein Strommast oder ein anderes Hindernis im Weg ist, übernimmt der Fahrer die Kontrolle. Und wenn er einen Stein oder auch ein Tier vor dem Schneidwerk entdeckt, gibt es einen Notknopf und das Schneidwerk bleibt sofort stehen.

„Das ist wirklich Technik, die begeistert!“ Nur zu gut erinnert sich der 61-jährige Arnim Glimm an seine Anfangsjahre bei der LPG. „Da hatten die Mähdrescher noch nicht mal eine Kabine, man saß ungeschützt hinter dem Lenkrad und war Staub und Hitze ausgesetzt. Das war kein Zuckerschlecken!“ Als dann die Mähdrescher mit Kabinen herauskamen, war das für die Fahrer ungewohnt. Und heiß. Denn Klimaanlagen so wie heute gab es nicht. Dazu sind die Fahrersitze heutzutage bequem und sehr gut gefedert. Schließlich sitzen die Fahrer an manchen Tag bis zu zehn Stunden auf der Maschine. Erst, wenn sich abends der Tau auf die Pflanzen legt, ist Feierabend. Regenpausen gibt es in diesem Sommer wie schon 2018 kaum.

Schon bevor es zumeist mittags, wenn das Korn ausreichend trocken ist, wieder los geht, haben die Fahrer zu tun. Denn die moderne, teure Technik muss sorgfältig gepflegt werden. Nahezu staubfrei rollen sie vom Hof. Und wenn doch mal was zu reparieren ist, kann das meiste in der Werkstatt der Genossenschaft erledigt werden. Nur, wenn an der Computertechnik mal was nicht stimmt, muss ein Fachmann kommen. „Aber das kommt selten vor. Auch wenn das alles kompliziert aussieht, ist die Technik so einfach zu bedienen und kaum störanfällig“, ist Arnim Glimm zufrieden.

Die beiden Mähdrescher sind während der Erntezeit allein mit den Feldern der Agrargenossenschaft nicht ganz ausgelastet. Deshalb nehmen andere Bauern in der Region, für die sich die Anschaffung der Technik nicht lohnt, die Hilfe aus Scharlibbe gern in Anspruch.

Weil der Mähdrescher die Arbeit fast von allein macht, bleibt Zeit zum Plaudern. Zur Gesamtsituation befragt, gibt sich Arnim Glimm besorgt. „Man braucht sich nur mal den Landgraben anzugucken. Der ist nur noch ein Rinnsal – das habe ich in 30 Jahren nicht erlebt. Die Dürre im vergangenen Jahr hat Folgen für 2019, wo es bisher ja auch nicht so viel mehr geregnet hat. In Scharlibbe liegt der Grundwasserspiegel eigentlich bei rund 2,80 Metern – das ergeben die Messungen der Feuerwehr. 2018 waren wir bei 3,80 Metern und jetzt haben wir noch nicht mal bei vier Metern Grundwasser. Der Boden ist tief ausgetrocknet und knüppelhart.“ So ein nasses Jahr wie 2017 täte jetzt gut. Und dann eine Ernte wie 2014, als Rekorderträge eingefahren worden sind! Davon kann man nur träumen.

Auch von guten Erzeugerpreisen in der Tierproduktion. Ist die breit aufgestellte Scharlibber Agrargenossenschaft mit den Verkaufspreisen für die Läufer aus der Schweineaufzuchtanlage zufrieden, sind die aktuellen Preise für die Fleischrinder niederschmetternd. Die Genossenschaft hatte 2016 die Milchkühe abgeschafft und auf Mutterkuhhaltung umgestellt. „Nach wie vor eine gute Entscheidung in Bezug auf die Nutzung des Grünlandes“, sagt Geschäftsführerin Ute Panther, „aber die derzeitige Preissituation ändert sich hoffentlich schleunigst wieder, was allerdings durch Entscheidungen der EU bezüglich Abkommen mit Argentinien zum Handel mit Rindfleisch, welches dort unter gänzlich anderen Qualitäts- und Tierschutzstandards produziert wird, sehr fraglich ist“.

Eine Konstante ist die Biogasanlage als eines der Standbeine der Genossenschaft. Aber um sie ausreichend mit Einsatzstoffen versorgen zu können, wird unter anderem Maissilage gebraucht – da wurde es schon 2018 knapp und 2019 sieht es kaum besser aus. „Wir haben mehr angebaut als wir brauchen, um Mindererträge auszugleichen“, erklärt Arnim Glimm. Er hofft, dass für Mais und Zuckerrüben jetzt noch ergiebiger Regen fällt. Dafür legen die Mähdrescher dann auch gern mal eine Zwangspause ein.