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Greifvögel Ein Hotspot für Eulen

Wulferstedt ist offenbar ein Hotspot für Eulen. Das meint Herbert Bilang, Experte und Betreiber des Eulenmuseums in Colbitz.

Von Sebastian Pötzsch 04.02.2019, 10:00

Wulferstedt l Es ist ein kalter Januarvormittag, das Thermometer zeigt nur wenige Grad über Null und die Sonne scheint in Wulferstedt. Eulenexperte Herbert Bilang aus Colbitz und Harald Schuhfuß, Mitinitiator des Steinkauzprojektes im Großen Bruch, haben sich verabredet. Treffpunkt ist das Tor zu einem Agrarbetrieb am östlichen Ortsrand.

„Das ist heute die erste Etappe auf unserer Tour durch den Ort. Ich würde mir gerne die Steinkäuze in den Volieren anschauen“, sagt Herbert Bilang, der extra aus Colbitz angereist ist. Doch ihm geht es heute weniger um das Zuchtprogramm des Vereins „Umwelt- und Naturschutz Großes Bruch“ um Herbert Teulecke und Harald Schuhfuß. Die beiden Naturschützer haben vor einigen Jahren ein ganz besonderes Projekt auf die Beine gestellt. Sie züchten Steinkäuze, um sie dann auszuwildern. Allein in diesem Jahr konnten die Beiden 13 dieser Vögel in die Natur entlassen, insgesamt waren es über 100.

„Doch heute geht es um Eulen in freier Wildbahn. Wulferstedt ist nämlich ein Hotspot“, erzählt Herbert Bilang. Neben jenen Steinkäuzen, die nach ihrer Auswilderung in Wulferstedt blieben und bisher zwölf Jungtiere zur Welt brachten, sollen hier rund zehn Waldohreulen sowie mindestens ein Waldkauz leben. „Dass sich so viele Eulen ein Revier teilen, ist nach meinen Erkenntnissen ein absolutes Novum im Landkreis Börde, vielleicht sogar in Sachsen-Anhalt“, berichtet Bilang und fügt hinzu: „Einmal geht es um die schiere Anzahl von Eulen. Sie müssen wissen, dass die Vögel in Nahrungskonkurrenz zueinander stehen.“ Dann rechnet er vor. Eine Eule vertilge pro Tag etwa drei Mäuse. Damit nimmt sie rund 45 Gramm an Nagern sowie großen Käfern und Insekten zu sich. „Bei zehn Eulen sind das schon 450 Gramm täglich. Das heißt also, das dieses Revier offenbar ausreichend Nahrung bietet, um so viele Eulen zu ernähren“, erklärt der Experte.

Ein weiterer Aspekt, der diese Besonderheit hervorhebt, ist die Konkurrenz untereinander. Bilang: „Wenn der kleine Steinkauz über Wiesen hüpft, um seine Nahrung zu finden, kann es schon mal sein, dass er von einem Waldkauz gefressen wird.“ Deswegen will sich der Naturschützer nun sein eigenes Bild von den Berichten machen, die ihm in jüngerer Vergangenheit aus Wulferstedt zugetragen worden sind.

So führt Harald Schuhfuß den Eulenexperten aus Colbitz zur nächsten Etappe. Es ist der Innenhof des Dorfgemeinschaftshauses „Schwarzer Adler“ in der Ortsmitte. Auf dem Boden fallen sofort die hellen Kotspuren und das sogenannte Gewölle auf. So werden die unverdauten Nahrungsreste genannt, die Eulen herauswürgen. Je nach Eulenart und Nahrungsangebot können die meist dunkelfarbigen Speiballen, wie sie auch bezeichnet werden, Skelettteile, Teile von Schneckenhäusern, Muscheln und Krebspanzer sowie Insektenteile enthalten. Meist sind sie in Säugetierhaare oder Federn eingehüllt.

Und der Blick nach oben beweist es: Hier haust ein Steinkauz. Auf einem senkrechten Balken direkt unter einem Dachsparren hat der sich der etwa faustgroße Vogel eingerichtet und scheint über seine Umgebung zu wachen. „Das ist hier sein Tagesruheplatz“, sagt Bilang. Und er erzählt von den früher ins Giebelmauerwerk von Scheunen oft eingelassenen Kreuzen, besonders verbreitet in der Börde sowie in der Altmark. „Das ist kein christliches Symbol, sondern das sind Eulenwarten“, weiß der Experte zu berichten. Die wurden gebaut, um Eulen hier ein gemütliches Plätzchen zu schaffen, damit diese den Hof von Nagern freihielten.

Dann geht es zur nächsten Etappe, dem Friedhof in der Gartenstraße. „Von hier wurden Waldohreulen gemeldet“, erzählt Harald Schuhfuß. „Dann sollten wir mal nach Nestern von Dohlen und Elstern Ausschau halten. Eulen bauen nämlich grundsätzlich keine Nestern und sind auf Brutstätten anderer Vögel angewiesen“, antwortet Herbert Bilang.

Gegenüber des Friedhofs steht eine gut sieben hohe Tanne. Darunter befinden sich Kotspuren und die bereits erwähnten Gewölle. Die Blicke der beiden Umweltschützer wandern nach oben. Und dort sitzen sie und halten Wache. Mehrere Waldohreulen dösen in den Ästen gemütlich vor sich hin. Und während sich Harald Schuhfuß und Herbert Bilang einen Überblick verschaffen, öffnet sich das Fenster eines benachbarten Hauses. „14 Eulen leben hier“, sagt die Nachbarin. Die Vögel störten sie nicht, sie lebten sie schon seit Jahren in dem Baum.

14 Eulen – da staunt der Experte nicht schlecht, auch wenn er schon noch mehr dieser Vögel in einem Baum gesehen hat, wie er sagt. „Da müssten wir im Frühjahr noch mal nachschauen. Einige dieser Waldohreulen könnten nämlich Gäste aus dem Norden sein, die hier überwintern“, sagt der Colbitzer.

Die dritte Etappe führt auf einen Hof in der Langen Straße in Wulferstedt. „Bitte sehr ruhig verhalten, er ist sehr empfindlich“, begrüßt der Hofbesitzer die kleine Gruppe. Mit „er“ meint der Herr einen Waldkauz, der auf dem Grundstück leben soll. Tatsächlich soll der Eigner Recht behalten, der empfindliche Waldkauz ist nicht zu sehen. Doch Herbert Bilang will Gewissheit und fragt nach dem Ruf des eulenartigen Hofbewohners. „Kiwitt“ oder so ähnlich soll der Vogel rufen. „Na dann ist es ein Waldkauzweibchen“, ist sich der Eulenexperte sofort sicher. Noch einmal wieder kommen will er, verspricht Bilang dem Grundstücksbesitzer.

Damit ist der kleine Rundgang durch Wulferstedt beendet und Bilangs Theorie vom Eulen-Hotspot bestätigt. Doch soll auch eine Schleiereule gesichtet worden sein. Um das Novum von Wulferstedt weiter näher untersuchen zu können, bittet er die Einwohner um Hilfe. „Wer Eulen, egal welcher Art, festgestellt hat, sollte sich unbedingt bei mir melden“, ruft er zur Mitarbeit auf. Dabei sollten die Wulferstedter auf die typischen Ruflaute von Eulen achten sowie auf auffällige Kotspuren und Gewölle.

Kontakt bei Eulenbeobachtung: AG Eulenschutz, NABU Sachsen-Anhalt, 039207/952 27 oder 0152/2332 88 37