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Bruno Ganz: Die Geschichte von Heidi ist herzzerreißend

Bruno Ganz zählt zu den bekanntesten deutschsprachigen Schauspielern. Nun ist er in Heidi dabei - ein Film für Kinder, aber auch für Erwachsene. Im Interview erzählt er vom Schweizer Mythos Heidi, von Freiheit und vom Ziegenmelken.

Von Interview: Cordula Dieckmann, dpa 07.12.2015, 09:00

München (dpa) - Bruno Ganz und Heidi, eine ganz besondere Liebe, so scheint es. Im Kinofilm von Alain Gsponer spielt der 74-Jährige den mürrischen, alten Großvater des elternlosen Mädchens.

Wie er zunächst mit kompletter Abweisung auf das Kind reagiert, nur um Heidi im Laufe von wenigen Tagen dann doch in sein Herz zu schließen, ist unbedingt sehenswert. Für Ganz war es gar keine Frage, ob er in dem Film mitspielen sollte. Ich bin Schweizer, und ich muss das machen, sagte der Schauspieler im Interview der Deutschen Presse-Agentur.

Frage: Sie sind ein Alm-Öhi wie man ihn sich besser kaum wünschen könnte. Woran liegt es, dass Sie sich in Ihrer Rolle so wohlgefühlt haben?

Antwort: Das ist eine Schweizer Sache, wir sind so. Das war nicht so schwer. Wahrscheinlich, weil ich auch von Kind an diese Sache kenne. Ich habe das Gefühl, jeder Schweizer meiner Generation hat irgendwie zwischen 10 und 20 irgendwas mit Heidi zu tun gehabt. (...) Der Name Heidi ist überall. Wenn man nach Chur fährt mit dem Zug, da ist Bad Ragaz links, da weiß man, da ist Mayenfeld, und da ist Heidi-Land. Und das ist auch die Werbung der Schweizer Tourismus-Industrie. Man hat immer mit Heidi zu tun, man kommt einfach nicht drumherum. Erstaunlich ist nur, dass das bei Jüngeren offensichtlich auch noch der Fall ist.

Frage: Sie haben auf 2000 Metern Höhe gedreht. Sie mussten melken, mit der Sense mähen und Holz hacken. War das anstrengend?

Antwort: Das macht Spaß, dieses Handwerkszeug. Es ist ja schon der Weg. Da fährt man 800 Höhenmeter mit dem Jeep. Dann zu Fuß ein Pfad. (...) Da kapiert man schon so langsam, in welche Welt man da gerät. Und dann kommt man oben an, und wenn es geregnet hat, ertrinkt man im Matsch. Kaum tritt man vor die Hütte und macht fünf Schritte: Steilhang. (...) Man versteht sehr schnell, dass das anstrengend wird!

Frage: Sie melken in einer Szene eine Ziege, das sieht sehr professionell aus. Mussten Sie das lernen?

Antwort: Ich hatte da nicht so große Probleme, weil ich halbwegs auf dem Land aufgewachsen bin und in meinem Ferien von meinen Eltern immer dorthin geschickt wurde, da die Verwandten Bauern waren. Als Stadtkind wird man zum Arbeiten angehalten dort und das ist nicht nur Kirschen pflücken. Dazu gehören auch Melken und diese Sachen. Ich konnte das.

Frage: Heidi wurde schon viele Male verfilmt, es gibt Mangas und Animationsserien fürs Fernsehen. Warum haben Sie sich entschlossen, die Rolle anzunehmen?

Antwort: Der Hauptantrieb war der Fakt, dass ich Schweizer bin. Ich kann zu so etwas nicht Nein sagen, das geht einfach nicht. Das ist ein nationaler Mythos, egal wie verformt. Das ist egal. (...) Ich bin Schweizer, und ich muss das machen.

Frage: Johanna Spyri hat die Heidi-Romane Ende des 19. Jahrhunderts geschrieben, seitdem werden die Geschichten immer wieder erzählt. Was ist daran so zeitlos?

Antwort: Das ist etwas, was nicht so stark an eine Generation gebunden ist: Einen Ort suchen im Leben, wo man wirklich gerne ist, wo man aufgehoben ist, wo man gern hingeht und wo man sich wohlfühlt.

Frage: Heidi genießt in den Bergen ein ungebundenes Leben. Gibt es das heute auch noch?

Antwort: Das ist eine Freiheit, die nicht mehr viele Kinder auch nur von Ferne sehen können, mit diesen Ziegen, in diesen Bergen und mit diesem Jungen. Das ist eine romantische Art von Freiheitsgefühl, aber es ist ein Freiheitsgefühl. Ich glaube, das sind alles so Momente, die so schnell nicht vergehen werden. Das wird Menschen immer anziehen und interessieren.

Frage: Heidi schafft es durch ihre liebe Art und ihre kindliche Fröhlichkeit, den mürrischen Alm-Öhi für sich zu begeistern. Wie war es für Sie, das zu spielen?

Antwort: Das ist eine schöne Geschichte, wie das Herz schmilzt von dem Alten. Aber auch wie Heidi das macht (...). Sie ist einfach immer gleichbleibend freundlich. Sagt immer Großvater und guckt ihn an. Wenn er nicht will, gut dann nicht. Sie ist ohne Berechnung. Aber wie sie darauf wartet, was passiert, das ist herzzerreißend.

ZUR PERSON: Bruno Ganz ist einer der bedeutendsten deutschsprachigen Schauspieler. Er wurde 1941 in der Schweiz geboren. Schon früh arbeitete er mit bekannten Theaterregisseuren zusammen wie Peter Zadek, Peter Stein, Luc Bondy, Claus Peymann oder Dieter Dorn. Mitte der 1970er Jahre startete er seine Kinokarriere. Er drehte Filme wie Der Himmel über Berlin von Wim Wenders, Brot und Tulpen von Silvio Soldini oder Der Untergang von Oliver Hirschbiegel. Zu seinen vielen Auszeichnungen zählen unter anderem der Europäische Filmpreis, der Deutsche Filmpreis oder das Bundesverdienstkreuz. Das Gespräch mit Bruno Ganz wurde im Rahmen eines Gruppeninterviews geführt.

Heidi