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Theater Stone: "Was passiert da in den Köpfen?"

Am Theater Magdeburg startet am 9. September in die neue Spielzeit. Ein Gespräch mit Generalintendantin Karen Stone.

Von Grit Warnat 06.09.2017, 01:01

Volksstimme: Frau Stone, Sie haben vor einigen Jahren in Ihrem Urlaub den Segelschein gemacht. Waren Sie in den Theaterferien segeln?
Karen Stone: Ja, natürlich. Wir hatten aber viel Sturm. Windstärke 8. Das ist mehr Überleben als Segeln.

Sie lieben die Herausforderung?
Ja, immer.

Sie inszenieren „Dantons Tod“, eine eher selten aufgeführte Oper. Warum haben Sie sich dafür entschieden?
Ich will den 100. Geburtstag von Gottfried von Einem würdigen. Ich mag seine Musik, auch den Menschen. Er war im Krieg Kapellmeister in Dresden, er hat Juden versteckt, er ist in Yad Vashem ausgezeichnet als ein Gerechter unter den Völkern. Für „Dantons Tod“ hat er sich nach Ende des Krieges mit der Intoleranz und der Gewalt musikalisch beschäftigt und dafür den Text von Büchner genutzt. Er wollte wohl verstehen, warum Menschen zu solchen Exzessen fähig sind, und hat sich die Frage gestellt, wie Menschen zu Monstern werden können.

Das ist hochaktuell.
Absolut. Wenn man heute sieht, wie Menschen mit einem ganz normalen Hintergrund, oft mit einer guten Ausbildung, zum IS gehen und andere köpfen, unterdrücken, foltern, dann fragt man sich, wie ist das möglich? Was passiert da in den Köpfen? Ich wollte unbedingt dieses Thema machen.

Sie beginnen die Spielzeit aber mit leichter Kost – mit „Rusalka“, einem Märchen. Warum setzen Sie wieder eine tschechische Oper auf den Spielplan?
Ich liebe tschechische Opern. Sie sind leider weniger bekannt, obwohl ihre Musik so fantastisch ist. „Rusalka“ hat mit dem „Lied an den Mond“ eine wunderbare und sehr bekannte Arie. Und es ist mehr als ein Märchen, wenn man auf die Psychologie der Personen setzt. Ich denke, Regisseur Stephen Lawless wird die Oper poetisch und psychologisch aufarbeiten. Zudem haben wir mit der Sopranistin Raffaela Lintl eine begeisternde Rusalka.

Sie setzen auch in der neuen Spielzeit auf Koproduktionen mit anderen Häusern. In diesem Jahr gibt es Verdis „Aida“ in Zusammenarbeit mit der Northern Ireland Opera. Warum sind Koproduktionen wichtig?
Allein Oliver Mears, der Regie führen wird, ist ein Glück für uns. Als wir die Koproduktion vereinbart hatten, war er Direktor der Northern Irland Opera, inszwischen ist er Leiter des Royal Opera House Covent Garden in London. Das ist eine wichtige, hochinteressante Position. Auf seine Inszenierung sind deshalb viele gespannt. Dieses Renommee ist die eine Seite. Die andere sind die Kosten. Für „Aida“ haben wir das Bühnenbild gebaut und die Kostüme in unseren Werkstätten geschneidert. Die Northern Ireland Opera bezahlt das Material. Das entlastet uns. Gesungen wird dort wie auch hier mit der jeweils eigenen Besetzung.

Wäre „Aida“ sonst nicht möglich?
„Aida“ ist eine teure Produktion und wäre schwer zu machen. Wir hätten sonst bei anderen Stücken sparen müssen, um diese Oper zu zeigen.

Seit Sie in Magdeburg sind, gibt es anlässlich der Telemann-Festtage eine Zusammenarbeit mit dem Telemann-Zentrum. Ohne eine Telemann-Oper an Ihrem Haus wären die Festtage nicht mehr denkbar.
Die Zusammenarbeit hat sich immer weiter vertieft. Wir hatten wirklich tolle Opernproduktionen, die zeigen, dass wir bei der Barockmusik auf internationalem Niveau mithalten können. Im März 2018 gibt es „Richard Löwenherz“. Die musikalische Leitung hat wie zuletzt bei „Damon“ David Stern. Er kommt dieses Mal aber nicht mit eigenem Ensemble. In dieser Produktion spielt unser Orchester mit Barockinstrumenten. Zudem haben wir Barocksänger als Gäste und Sänger aus unserem Ensemble. Ich freue mich sehr auf die Inszenierung, zumal ich im Sommer in Frankreich auf den Spuren von Richard Löwenherz unterwegs war.

„Richard Löwenherz“ ist eine von insgesamt acht Premieren im Musiktheater. Unabhängig von Ihrer eigenen Inszenierung – an welcher Aufführung hängt Ihr Herz besonders?
Außerordentlich freue ich mich über „Salome“ von Richard Strauss. Wir setzen auf ihn im jährlichen Wechsel mit Richard Wagner. Letzte Spielzeit hatten wir den „Fliegenden Holländer“, jetzt zeigen wir „Salome“. Zuvor haben wir „Elektra“ von Strauss gemacht, davor „Lohengrin“. Ich finde, dass das Orchester wunderbar dieses Fach spielt. Und wie jedes Jahr bin ich wieder sehr gespannt auf die Operninszenierung am Schauspielhaus. Wir machen „Powder Her Face“, eine fantastische, skurrile Kammeroper, sehr sexy.Ein kleines Juwel. Wissen Sie, mein Herz schlägt immer für unsere moderne Oper im Schauspielhaus. Zeitgenössische Musik ist auch unser Auftrag als Theater.

Gewinnen Sie mit Oper am Schauspielhaus ein anderes Pubikum?
Publikum ist oft ortsgebunden. Uns ist wichtig, neben unseren treuen Operngängern die junge Generation zu gewinnen. Sie wollen wir ansprechen und haben das mit den Inszenierungen bisher auch gut geschafft.

Sie sind nach drei Spielzeiten von den Donnerstag-Premieren abgerückt. Warum?
Wir wollten Premieren auch jenen aus der Politik und von der Universität bieten, die nur unter der Woche in Magdeburg sind. Es war ein Versuch. Er hat uns kein Publikum weggenommen, aber auch kein zusätzliches gebracht. Unsere Abonnenten setzen lieber auf den Sonnabend. Deshalb kehren wir mit den Premieren wieder auf das Wochenende zurück.

Mit der neuen Spielzeit haben Sie eine Frau als Stellvertreter. Zwei Frauen an der Spitze, zudem Frau Crombholz als Schauspieldirektorin – das ist in der Theaterlandschaft selten. Sie mögen Frauen-Power?
Natürlich! Ich kenne Frau Pesch seit über 20 Jahren. Sie liebt die Kunst. Das finde ich gut, weil das keineswegs selbstverständlich ist für einen Verwaltungsdirektor. Frau Pesch war in den vergangenen Jahren mehrmals am Haus, weil sie Interesse daran hatte, was wir hier machen. Übrigens sind wir am Theater keine Ausnahme. Magdeburg ist eine Frauenstadt. Das Kunstmuseum, das Kulturhistorische Museum, die Hochschule – überall sind Frauen an der Spitze.

Sie haben Ihren Theatervertrag bis Juli 2022 verlängert. Ein Blick nach vorn. Wo sehen Sie das Haus, wenn Sie aufhören?
Mein Großvater war bei der Marine. Er sagte immer: „Ich bin Kapitän dieses Schiffes. Das gab es vor mir und das gibt es nach mir. Meine Verantwortung ist es, das Schiff sicher in den Hafen zu bringen und gut zu übergeben.“ Diese Verantwortung habe ich auch. Vor allem, weil hier 440 Leute arbeiten. Und all unsere Mitarbeiter brauchen ein Publikum für die Zukunft. Der Blick auf junges Publikum ist sehr wichtig. Es ist einer meiner Lieblingsmomente im Jahr, wenn die Kinder mit Wonne auf der Bühne stehen und singen. Und ich hoffe dann, dass das Theater für einige Teil des Lebens wird.