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Wernigerode lädt bis November zur Ausstellung mit Malerei und Grafik des 19. Jahrhunderts Augsburger "Entdeckungen" im Schloss

Von Hans Walter 18.08.2012, 03:22

"Entdeckungen" heißt die Sonderschau im Frühlingsbau von Schloss Wernigerode. Bis 4. November eine traumhaft schöne Begegnung mit Kunstschätzen aus den Augsburger Sammlungen und Museen.

Wernigerode l Das Gästebuch ist voll des Lobes über die Entdeckungsreise des Schlossherrn Christian Juranek zu den Kunstkammern der Stadt Augsburg. Gezeigt wird Malerei und Grafik des 19. Jahrhunderts. Da sind sie zu bewundern - die Werke von Kaulbach, Lenbach, Makart, Millner, Piloty, Rottmann und weiteren Künstlern, derentwillen der Kunstfreund sonst in die Neue Pinakothek in München oder in die Wiener Sammlungen reisen müsste. Braucht er aber nicht, zumal nicht nur in der Sonderausstellung, sondern auch in den ständigen Sammlungen auf Schloss Wernigerode Gemälde von Rottmann oder Lenbach zu entdecken sind.

Die Schau zeigt weitgehend Unbekanntes. Gleich zu Beginn präsentiert Juranek den Topos der Freien Reichsstadt, der Hochburg der Reformation, den Hort bürgerlicher Blüte mit zwei Ansichten der vieltürmigen Stadt - am Morgen und am Abend. Die grafischen Blätter ergänzen mit Studien und Handzeichnungen in den Vitrinen die Kunstlandschaften. Das 19. Jahrhundert war die Epoche des bürgerlichen Porträts wie der theatralischen Historiendarstellung, des Reisens in vielerlei Länder wie auch der Entdeckung des bäuerlichen Lebens.

Gemälde mit historischem Bezug zur Stadtgeschichte

Der Historienmaler Johann Geyer (1807-1875) ist mit einem Selbstporträt, dem Bildnis seiner Frau Johanna Friederike, mit "Ratsherren nach der Sitzung", mit "Kaiser Ludwig begibt sich in den Schutz der Reichsstadt Augsburg" und weiteren Bildern präsent. Es sind dichte Gemälde mit persönlichem und historischem Bezug zur Stadtgeschichte. Der Bregenzer Porträtist Liberat Hundertpfund (1806-1878) zählt mit dem biedermeierlichen "Familienbild Fidelis Butsch" zu den interessantesten Persönlichkeiten. Er schildert sie mit meisterlicher Individualität ganz aus der Nähe.

Friedrich Mosbrugger (1804-1830) schuf in seinem kurzen Leben die "Ansicht des antiken Tunneldurchstichs durch den Posillipo" bei Neapel, konzentriert auf das Hell-Dunkel des Bildes. Carl Millner (1825-1895) ist mit dem "Gebirgssee" vertreten - ein hochalpines Idyll in leuchtendem Himmelsblau mit Wolkentürmungen und dem irisgrünen See. Der lebenslang von Alexander von Humboldt geförderte "Bildreporter" Johann Moritz Rugendas (1802-1858) steuerte Gemälde aus Südamerika bei.

Bäuerliches Leben in vielen Facetten

Carl Rottmann - für dessen Griechenland-Bilder König Ludwig I. von Bayern in der Neuen Pinakothek eigens einen weiträumigen Saal schaffen ließ - ist mit dem "Kopaissee" auch hier eine Entdeckung. Wie ein Verwandter im Geiste von Wilhelm Leibl wirkt der das bäuerliche Leben in vielen Facetten schildernde Richard Voltz (1859-1923) mit "Bauern am Wegekreuz" und "Kühe auf der Weide".

Porträts und Ölskizzen sind Glanzpunkte

Zu den absoluten Höhepunkten zählen die Porträts "Berta Riedinger-Ort" von Friedrich August von Kaulbach (1850-1920) und Franz von Lenbach (1836-1904). Die Schönheit dieser Industriellenfrau war legendär - widerspiegelt in zwei ganz unterschiedlichen, von den beiden "Malerfürsten" schon fast mit impressionistischer Bildsprache geschaffenen Gemälden.

Ferdinand von Piloty d. J. (1828-1895) prägte mit seinem Schaffen eine ganze Generation von Malern in Süddeutschland und Österreich.

Die Ölskizze zu "Augsburgs Blütezeit im 16. und Anfang des 17. Jahrhunderts" zeigt einen Besuch der bedeutenden Kaufmannsfamilie Welser bei Jakob Fugger dem Reichen. Historische Personage in einer Begegnung des Bürgertums mit dem blutjungen Erzherzog Ferdinand II. von Habsburg, dem Landesfürsten von Tirol - das ist visualisierte Geschichte pur.

Ein anderer Glanzpunkt ist die Ölskizze "Ruhe auf der Flucht" des Piloty-Schülers Hans Makart (1840-1884). Maria mit dem Jesuskind in Weiß und Blau, Josef in orientalischem Gewand in "Makart"-Rot. Hell und Dunkel im dualen Gegensatz; die Palmwedel des Bildes wirken wie ein Accessoire des Wiener Ringstraßen-Malerfürsten - das "Makart-Bouquet". Theatral wie er malte Ferdinand Wagner d. J. (1847-1927), der der Kunstrichtung der Nazarener nahestand. Seine vier Putti belegen Wagners Hang zu Barock-Dekorativem. Mit großer christlicher wie malerischer Symbolik auch Johann Michael Wittmer.

Die Zeitalter werden besichtigt. Dank der Augsburger "Entdeckungen" ein wahrer Glücksfall für Schloss Wernigerode, das erstrangige deutsche Zentrum für Kulturgeschichte des 19. Jahrhunderts.

Schloss Wernigerode: von Mai bis Oktober 10 bis 18 Uhr geöffnet