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Auguste Rodin: Neues Licht auf seine Kunst

Zum 175. Geburtstag des französischen Bildhauers Auguste Rodin erstrahlt sein Pariser Museum in frischem Glanz. Dabei wirft es nicht nur im wortwörtlichen Sinn neues Licht auf seine Werke.

Von Sabine Glaubitz, dpa 11.11.2015, 22:59

Paris (dpa) - Die Rippen unter der Haut sind zu erkennen und die Knorpel der Wirbelsäule - so als wäre die junge Frau aus Fleisch und Blut. Der Kuss gehört zu den schönsten Skulpturen von Auguste Rodin - und den sinnlichsten.

Rodin hat ihr durch sein Spiel von Licht und Schatten eine Lebendigkeit und Körperlichkeit verliehen, die ihn zum Plastiker des Impressionismus werden ließ. Das hingebungsvolle Liebespaar aus Marmor steht im Pariser Rodin-Museum in der Nähe des Eiffelturms. Nach dreijährigen Renovierungsarbeiten öffnet es pünktlich zum 175. Geburtstag des Bildhauers am 12. November wieder alle seine Säle.

Für rund 16 Millionen Euro wurde der Stadtpalast Hôtel Biron aus dem 18. Jahrhundert einer Rundum-Erneuerung im Innern unterzogen. Sicherheitstechnische Mängel wurden behoben, ein Aufzug für die Werke eingebaut, denn das Museum mit seinen über 6 500 Skulpturen gehört zu den großzügigsten Leihgebern in Paris. Vor allem aber wurde ein hochtechnisches Beleuchtungssystem installiert, mit dem Rodin wahrscheinlich sehr zufrieden gewesen wäre, wie die Leiterin des Museums Catherine Chevillot glaubt.

Rodin setzte Licht und Schatten als Gestaltungselemente ein, was zu Vergleichen mit den impressionistischen Malern seiner Zeit führte. Und so wie der Sohn aus einer konservativen Pariser Beamtenfamilie spielt nun auch das Museum mit Licht. Denn jede Skulptur in den 13 Ausstellungsräumen hat seine eigene Beleuchtung. Sie wird per Computer gesteuert und ändert sich je nach Tages- und Jahreszeit.

Der Schreitende, Der Denker oder Der Kuss: Das Hôtel Biron vereint Rodins Meisterwerke und beleuchtet sie noch in einer ganz anderen Weise neu. Das vollendete Werk war der letzte Schritt eines langen Schöpfungsprozesses, den wir in einer neuen Präsentation besser verdeutlichen wollen, erzählt Chevillot. Dazu hat die 2012 zur Museumschefin ernannte Kunsthistorikerin Studien und Gipsmodelle aus Rodins Atelier in Meudon kommen lassen. Aus dem rund 12 Kilometer südwestlich von Paris gelegenen Ort, wo Rodin auch wohnte, stammt unter anderem der Gipsentwurf Jean de Fiennes.

Fiennes war eine der Standespersonen, die Rodin in seiner monumentalen Plastik Die Bürger von Calais abgebildet hat. Auf dem vollendeten Bronzewerk ist er bekleidet, auf dem Gipsmodell hingegen nackt. Rodin wollte erst die Anatomie seiner Modelle verstehen, um sie dann besser in üppige Drapierungen hüllen zu können, erklärt Chevillot.

Rodin hatte 1908 einen Teil des mondänen Stadthauses angemietet, um auszustellen, seine Sammler zu empfangen und zu arbeiten. Gelebt hatte er jedoch in Meudon auf den Anhöhen, wo er auch ein großes Atelier besaß. Am 17. November 1917 starb er dort, sein Atelier ist heute ein Museum. Dort sind vor allem die riesigen Gipsmodelle ausgestellt, die ihm als Vorlage für sein berühmtes Höllentür und Die Bürger von Calais dienten.

Und noch etwas wird durch die neue Präsentation der Sammlung deutlicher: Rodin hat die klassische Gattung der Bildhauerei revolutioniert. Er hat die Unvollständigkeit seiner Skulpturen zu einem Stilelement erkoren. Eines der schönsten Beispiele dafür ist Der Schreitende. Der muskulösen Bronzefigur, die energisch vorwärtsschreitet, fehlen Kopf und Arme.

Sie steht in dem neu gestalteten Museum umgeben von antiken Büsten und Statuen. Denn Rodin interessierte sich leidenschaftlich für die griechische und römische Klassik. Deren Torsi, Statuen, an denen wesentliche Körperteile fehlen, inspirierten ihn zu seinen fragmentarischen Werken. Was braucht man zum Gehen einen Kopf? antwortete Rodin damals auf die negative Kritik der Fachwelt.

Rodin ebnete mit dem Weglassen und der Montage von Körperteilen den Weg für die abstrakte Skulptur. Schon sein berühmtestes Frühwerk L’homme au nez cassé, das einen Männerkopf mit gebrochener Nase zeigt, spiegelt wider, wonach Rodin zeitlebens strebte: Die Skulptur von ihrer nachahmenden Funktion zu befreien. Die Büste aus dem Jahr 1863 steht gleich zu Beginn des neuen Museumsparcours. 

Musée Rodin

Geschichte des Hôtel Biron