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Ausstellung Kirchliches Leben in der DDR

Der Leipziger Fotograf Harald Kirschner hat das kirchliche Leben in der DDR fotografisch festgehalten. Jetzt stellt er in Magdeburg aus.

Von Grit Warnat 15.08.2017, 01:01

Magdeburg l Katholikentreffen 1987. Menschenmassen drängen sich vor der barocken Hofkirche in Dresden. „Gottes Macht unsere Hoffnung“ steht groß geschrieben auf einem Plakat an der Kathedrale. 100.000 Katholiken waren damals in die sächsische Stadt gereist. Harald Kirschner war mit der Kamera dabei. Er hat auch das Menschenmeer beim Elisabethjubiläum 1981 im Dom zu Erfurt oder die eng beieinander Sitzenden zum Treffen von Taizé-Brüdern im Magdeburger Dom im Jahr 1982 dokumentiert.

Was Kirschner aufgenommen hat, ist für viele Betrachter eine unbekannte Facette des atheistisch geprägten Lebens in der DDR. Immer wieder gibt es Erstaunen über diese Menschenmengen. „Viele zeigen sich überrascht, weil dieses kirchliche Leben so überhaupt nicht wahrgenommen worden ist“, sagt der Fotograf. Dabei seien Christen aus der ganzen Republik angereist. Schließlich hätten diese Treffen, so Kirschner, für viele Signalwirkung gehabt. Man habe sich mit seinem Glauben nicht alleine gefühlt. Der Zusammenhalt im Glauben hat den Menschen Kraft gegeben.“

Ungezählte Fotos sind in den 1980er Jahren entstanden von Wallfahrten, Jugendtreffen und Jubiläen. Männer und Frauen unterwegs bei der ökumenischen Umweltaktion „Mobil ohne Auto“. Zwei sich innig Küssende im Innenhof des Kreuzganges im Magdeburger Dom. Eine Jugendliche mit einem Plakat und der Aufschrift „Macht Liebe, nicht Krieg“ 1982 vor dem Völkerschlachtdenkmal in Leipzig. Allein, aber aufrecht steht die Aktivistin der unabhängigen Friedensbewegung mit ihrem selbstgemalten Schild auf der staatlich organisierten Kundgebung gegen den Nato-Doppelbeschluss. Das Licht der vielen Kerzen, die vor der Nicolaikirche in Leipzig in Wachsbergen stehen.

Ausstellungsmöglichkeiten für Kirschners Schwarz-Weiß-Kunst gab es kaum. Wenige seiner Bilder haben es einmal in die Galerie des Leipziger Kulturbundes geschafft, erzählt er. „Viele Fotografen haben für die Kiste fotografiert.“

Wenn man ihn fragt, was ihn bewogen hat, sich mit dem kirchlichen Leben in der DDR künstlerisch auseinanderzusetzen, erzählt er zuerst von seinem christlich geprägten Elternhaus, und dann sogleich von seiner Reise nach Krakau zum ersten Besuch von Papst Johannes Paul II. in Polen. Das war 1979. Kirschner war nicht akkreditiert, aber mit Kamera und Objektiven unterwegs. „Mir ging es nicht nur um das kirchliche Großereignis, sondern um das Geschehen drumherum“, so der Fotograf, dessen Fotos damals in keinem SED-Organ gedruckt worden wären. Veröffentlicht wurden einige im „Tag des Herrn“, einer katholischen Zeitschrift. Kirschner spricht von wichtiger Ermunterung, seine fotografischen Sichten auf kirchliche Großereignisse fortzusetzen. Und so hielt er in den 1980er Jahren die traditionsreiche Leidensprozession in Heiligenstadt fest, evangelische und katholische Kirchenneubauten in Leipzig-Grünau, auch das Lutherjahr 1983. Der damalige Volkskammerpräsident Horst Sindermann ist zu sehen, neben ihm der DDR-CDU-Vorsitzende Gerald Götting auf der Wartburg. Weltoffen wollte man sich geben.

Kirschner suchte stets soziale Themen - das kirchliche Leben gehört für ihn selbstverständlich dazu - und beobachtet viel. Bis heute hat sich daran nichts geändert. Nur heute findet er seine Motive in zumeist menschenleeren Räumen.

Seine kirchlichen Lebensbilder von einst sind jahrelang weitgehend unbekannt geblieben. In großem Umfang hat der Leipziger erstmals 2016 anlässlich des 100. Deutschen Kirchentages seine Arbeiten „aus der Kiste“ geholt. Jetzt zeigt er sie erneut.

„Es sind Bilder, die lebendige religiöse Traditionen zeigen, deren Fortsetzung, deren Pflege nichts bloß Konservatives, gar Reaktionäres war, sondern eine eigentümliche Überzeugungstreue und staunenswerte Tapferkeit dokumentieren“, schreibt der ehemalige Bundestagspräsident Wolfgang Thierse im Vorwort zur Ausstellung. Er wird sie am Mittwoch im Landtag eröffnen.