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Berlinale Dieter Kosslick plaudert über Stars

Der Berlinale-Chef war zu Gast in Magdeburg. In einer Bar spricht er über die Vorzüge Meryl Streeps.

Von Grit Warnat 18.09.2017, 01:01

Magdeburg l Dieter Kosslick ist seit 2001 Leiter der Berlinale. Seitdem holte immer mehr internationale Stars zu den Internationalen Filmfestspielen nach Berlin. Am Freitagabend war er zu Gast beim Tresen-Talk im „Xampanyera“ in Magdeburg. Im Gespräch mit Bar-Inhaber Tino Grosche und dem CDU-Bundestagsabgeordneten Tino Sorge (man kennt sich, man duzt sich) plauderte Kosslick ehrlich, humorig, sehr ausgiebig über ...

... eigene Starallüren: Ich hatte nie das Problem, dass ich richtig eitel bin. Ich muss ein gesundes Selbstbewusstsein haben, sonst kann ich gegen die großen Stars nicht ankommen. Wenn man solch ein Filmfestival leitet, braucht man auch eine gewisse Bescheidenheit.

... den roten Teppich: Der richtige rote Teppich hat die Farbe HK 46. Alles andere ist kein richtiger roter Teppich.

... einen Berlinale-Tag: Unser Team nimmt ab früh um 9 zwischen 50 und 60 Terminen wahr, ich laufe fünfmal über den roten Teppich am Tag. Das ist ein ganz genau abgestimmtes System, eine gigantische Maschinerie. In dieser Zeit arbeiten 1700 Leute auf der Berlinale. Wir zeigen über 400 Filme auf 72 Leinwänden. Wir haben 20.000 akkreditierte Gäste und 350.000 Leute, die sich eine Karte kaufen. Das gibt es sonst auf der Welt nicht. Alles muss ablaufen wie eine Eins. Wir können George Clooney nicht warten lassen. Alles kostet sehr viel Geld. Es ist eine gewaltige Show, ich bin der Direktor und ich spiele auch den Direktor.

... Entschleunigung: Ich bin ein Entschleunigungstheoretiker, der keinen Computer hat, sondern nur ein Handy. Ich bin nicht bei Facebook und all diesem Zeug. Ich brauche Zeit, ich brauche Ruhe. Ich liebe den Garten und mache Yoga, ich koche gerne, ich liebe die Natur. Natur ist die größte Quelle der Inspiration. Und ich lache gern.

... den entspanntesten Promi: Der Promi ist ein System, um ihn herum sind zig Leute, Mentalberater, Masseur, Einflüsterer, Ehefrau, Freundin, Friseur. Es gibt Stars wie Meryl Streep, die sind über alles erhaben. Die sind unglaublich bescheiden. Meryl Streep würde sich auch hierher setzen und sich wie ich einen netten Abend machen.

... den unentspanntesten Promi: Ein Star hatte mich nachts angerufen, weil er den Hoteldirektor nicht erreichen könne. Die Dame meinte: Es gibt große Probleme, du musst sofort herkommen. Es war früh halb vier. Ich fuhr ins Adlon. Ich wusste, wenn man sie besucht, muss man Blumen mitbringen. Aber um die Zeit gab‘s keine, also schnappte ich mir eine aus der Vase im Hotel, habe die Blume übergeben und gefragt: Was ist denn los? Die Antwort: Ich kann die Nachttischlampe nicht ausmachen. Es gab einen anderen Star, da mussten wir das Hotelzimmer grün anmalen. Alles musste grün sein, bis hin zu den Äpfeln.

... Stars und warum sie nach Berlin kommen: Der rote Teppich hat einen bestimmten Wert. Der bestimmt sich durch die Anzahl der Journalisten und Fotografen. Bei uns sind es 4000. Cannes hat 4600. Die Stars und die Regisseure bleiben zwischen zwei und drei Tage im Hotel und machen mit der weltweiten Presse Interviews. Das ist Marketing. Und dann muss man den Typen, der das Filmfestival macht, mögen. Da habe ich gute Karten.

... Promis und Filme auf der nächsten Berlinale: Dazu kann ich noch nichts sagen. Ich fliege am Dienstag los. Ich fliege mit dem Team immer ein halbes Jahr um die Welt.

... den bisher bittersten Moment bei den Filmfestspielen: Als wir einen Eröffnungsabend mit dem Film Cold Mountain und den Hauptdarstellern Nicole Kidman, Jude Law und Renee Zellweger hatten. Tausende Menschen waren da, außer die drei. Eine Stunde vorher habe ich erfahren, dass sie nicht kommen. Es war soooo schlimm, dass alle mit mir Erbarmen hatten. Letzlich reisten die drei an, nur einige Tage später.

... den schwierigsten Akt: Der größte Akt in all den 17 Jahren waren die Rolling Stones. Sie haben 2000 Leute um sich, da geht es um so viel. Es durfte im Umkreis des Hotels von zwei Kilometern keinen Baulärm geben. Sie hatten sich im „Regent“ eingemietet und nicht gewusst, dass das Humboldt Forum gebaut wird. Dort mussten dann die Arbeiten ruhen. Als wir abends im Kino waren, sagte Keith Richards zu mir: „Dieter, kannst du mal den Ton hochdrehen lassen“, was wir übrigens nie machen. Er sagte: „Wir machen 40 Jahre Rock‘n‘Roll. Wir sind taub.“ So viel zum Baulärm.

... den schönsten Moment: Für mich geht es vielmehr um die Frage, ob man und was man mit Kunst bewirken kann. 2006 hatten wir einen Film aus Sarajevo über die Massenvergewaltigung von Frauen im damaligen Krieg, der den Goldenen Bären gewann. Der Film „Esmas Geheimnis“ ist unglaublich bewegend. Die Filmemacherin ging auf die Bühne, nahm den Bären und sagte: „Karadžić, jetzt kriegen wir dich“. Monate später wurden diese Frauen als Kriegsopfer offiziell anerkannt. Der Film hatte eine große politische Wucht. Ja, mit Kunst und Kultur kann man was bewirken.

... die Zukunft von Dieter Kosslick, dessen Vertrag 2019 ausläuft: Dann bin ich 71 und möchte gern noch ein bisschen weitermachen, aber in einer reduzierten Form. Ich kann nicht mehr 185 Tage im Jahr reisen. Vielleicht finden wir eine andere Struktur. Aber das wird eine Entscheidung nach der Wahl.