Anne Perry: Krimiautorin mit düsterer Vergangenheit
London - Sie lebt alleine in einem verschlafenen Nest in Schottland und ist bekannt für ihre Krimis, die im viktorianischen England spielen: die britische Autorin Anne Perry, die früher Juliet Hulme hieß.
Als Teenager musste sie ins Gefängnis, weil sie an einem Mord beteiligt war. "Viel Zeit ist seit damals vergangen", sagt Perry, die am Montag (28. Oktober) ihren 75. Geburtstag feiert. Nach ihrer Entlassung änderte sie den Namen. "Ich war dankbar für die Chance, neu zu starten", erklärt die Autorin. Sie begann zu schreiben. Schriftstellerin sei man einfach, sagt sie der Nachrichtenagentur dpa. "Wenn jemand gut singen kann, muss er singen. Wenn jemand gut Geschichten erzählen kann, muss er schreiben."
Ihre Geschichten hält Perry immer zuerst von Hand auf Papier fest. "Ich mag Maschinen nicht allzu sehr", erzählt sie. "Ich denke am besten mit einem Schreibgerät in meiner Hand." Beim Schreiben sitze sie in ihrem Haus in Portmahomack, einem schottischen Dorf mit mehreren hundert Einwohnern, auf einem Sessel, die Füße hochgelagert. Auf dem Schoß habe sie ein großes Kissen, das sie als Tischchen brauche. "So kann ich sechs Tage die Woche arbeiten."
Geboren wurde Anne Perry 1938 in London als Juliet Hulme, sie wuchs in Neuseeland auf. Als sie 15 Jahre alt war, erschlug sie zusammen mit ihrer Freundin deren Mutter. Die beiden mussten fünf Jahre ins Gefängnis. Der Mordfall erregte Aufsehen und wurde später von Regisseur Peter Jackson in "Heavenly Creatures" verfilmt mit Kate Winslet als Hulme. Die Tat hat Perry schon damals bereut. Darüber reden will sie nicht mehr. "Es ist Vergangenheit", sagt sie.
Spuren ihrer Vergangenheit finden sich aber in ihrem Werk, in dem es um Sünde und Vergebung geht. Vieles in ihren Romanen ist nicht so, wie es scheint. "Niemand ist nur böse oder nur gut", erzählt Perry. Ihr Hauptthema: die Moral. "Jeder interessiert sich für die Frage, was ist richtig, was ist nicht richtig, und wie sich das je nach Situation eines Menschen verändert." Sie möge es, ihre Figuren in ein Dilemma zu stürzen, aus dem es keinen einfachen Ausweg gebe.
Der Durchbruch gelang Perry, die in den 1960er Jahren der Mormonen-Kirche beitrat, 1979 mit dem Krimi "Der Würger von der Cater Street". Darin hatte Inspektor Pitt seinen ersten Auftritt. 1990 startete sie eine zweite Krimi-Serie mit dem ehemaligen Polizisten und Privatdetektiv William Monk in "Das Gesicht des Fremden". Inzwischen hat Perry mehr als 60 Romane geschrieben, die sich weltweit millionenfach verkauft haben.
Perry erzählt am liebsten über Dinge, die genauso hätten passieren können. Viele ihrer Bücher spielen im viktorianischen England, eine Epoche, die die Autorin fasziniert. "Es war eine Zeit mit viel Glamour, Überfluss, Hoffnung und Erfindungen", erklärt sie. "Aber es herrschte auch große Armut und manchmal wurde Furchtbares getan. So konnte man zum Beispiel jemanden wegen vieler Dinge erpressen."
Perry schreibt immer noch eifrig, hat gerade drei Bücher fertig und plant schon die nächsten. "Je älter ich werde, desto kostbarer wird Zeit. Man sollte sie nicht vergeuden", sagt sie. Arbeitet sie einmal nicht, schaut sie gern Dramen im Fernsehen an oder geht spazieren. Die Autorin hat nie geheiratet. Sie habe sich zwar oft verliebt, aber es habe nie sein sollen. "Eine halbwegs unabhängige Frau", schmunzelt Perry, "ist nicht jedermanns Sache."