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Vor 50 Jahren: Sartre sorgt für Nobelpreis-Skandal

19.10.2014, 23:07

Paris - 15 Literaturnobelpreisträger zählt Frankreich, aktuell freut sich das Land über die Auszeichnung für Patrick Modiano.

Einer der Geehrten sorgte jedoch vor genau 50 Jahren auch für einen der größten Skandale in der Geschichte des Preises: Jean-Paul Sartre schlug die höchste Literaturauszeichnung der Welt aus, weil er sich nicht vereinnahmen lassen wollte.

Am 22. Oktober 1964 gab der damals 59-jährige französische Philosoph und Schriftsteller (1905-1980) der Nobel-Akademie einen Korb. Seine Begründung: Jeder Preis mache abhängig. Sartre war der erste Autor, der freiwillig auf die 1901 ins Leben gerufene Auszeichnung verzichtete - und bis heute hat ihm das niemand nachgemacht.

Vor ihm hatte nur der Russe Boris Pasternak 1958 verzichtet, jedoch erst auf Druck der sowjetischen Obrigkeit. Rund 29 Jahre nach dem Tod des Autors von "Doktor Schiwago" nahm sein Sohn 1989 den Preis stellvertretend entgegen. Mehrere Jahrzehnte zuvor, im Jahr 1925, hatte der Ire George Bernard Shaw die Schweden-Huld zunächst zurückgewiesen, sich es dann jedoch anders überlegt.

Sartres Ablehnung war keine Entscheidung aus einer Laune heraus. Wenige Tage zuvor hatte er in einem Brief die Nobelkomitee-Mitglieder gewarnt, dass er die Nominierung nicht annehmen werde. Sartre lehnte ab, weil seiner Überzeugung nach kein Autor zeitlebens eine solche Ehre verdiene, vor allem aber, weil sich der Dramatiker nicht institutionalisieren lassen wollte.

Er könne keine Auszeichnung von einer kulturellen Organisation annehmen, weder aus dem Osten noch aus dem Westen, führte der Verfasser von "Der Ekel" sowie "Das Sein und das Nichts" in seiner Erklärung an die Akademie aus. Er hätte auch einen Lenin-Preis abgewiesen, erklärte der zeitweise prokommunistische Stalin-Apologet. Für das Nobelkomitee stand die Entscheidung für Sartre jedoch fest.

Eigentlich war seine Haltung absehbar. Auszeichnungen passten nicht in das Weltbild des Autors von "Die Wege der Freiheit". Weder wollte er Mitglied der Ehrenlegion werden noch einen Sitz im renommierten Collège de France annehmen.

Umso mehr überraschte das einstige Akademie-Mitglied Lars Gyllensten mit seinen 2000 erschienenen Memoiren "Minnen, bara minnen" (Erinnerung, nur Erinnerung). Darin schrieb der schwedische Schriftsteller, Sartre habe elf Jahre später diskret nachgefragt, ob das Preisgeld nicht noch nachträglich überwiesen werden könne. Das Ansinnen wurde abgelehnt, wie Gyllensten berichtete.