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Klaus Mann, van Gogh und Hemingway: "Am Todespunkt"

18.11.2014, 09:40

Berlin - August Strindberg ließ das Verdikt gegen den Freitod, es sei doch mutiger, zu leben als den Tod zu suchen, nicht gelten. Denn für viele Betroffene scheint das Leben zuletzt nur noch aus Depressionen, Melancholie und Schmerz zu bestehen.

"Ich bin nur Gast und kein erwünschter", notierte der Maler Ernst Ludwig Kirchner. Dass das auch für viele andere Künstler und Schriftsteller galt, schildert die Autorin Birgit Lahann in ihrem Band "Am Todespunkt", in dem sie den Schicksalen von 18 prominenten Persönlichkeiten nachgeht, vom Maler Vincent van Gogh bis zu den Schriftstellern Kurt Tucholsky, Brigitte Schwaiger ("Wie kommt das Salz ins Meer") und Klaus Mann, dem Sohn von Thomas Mann.

Dabei gelingen der Autorin auch präzise und informative Kurzporträts mit wichtigen Details des Lebensweges der Künstler, wenn auch manchmal mit überflüssigen theatralischen Nebentönen, wenn zum Beispiel von van Goghs Bild "über goldenem Korn und fast blutgetränkter Erde" im "trüffelschwarzen Himmel" die Rede ist. Lahann berichtet auch von der Reaktion der Angehörigen und Bekannten der Selbstmörder. Manche sehen den Schritt als Affront an.

So hat Thomas Mann den Selbstmord zweier Schwestern und zweier seiner Söhne als unsolidarisch empfunden, betont Lahann. Sie hätten das der Familie nicht antun dürfen. Dabei hätte der Literaturnobelpreisträger doch wissen müssen, was wachsende innere Unruhe bedeuten kann, die für manche Menschen eben nahezu unerträglich wird.

So schreibt Kurt Tucholsky zwar lustige Briefe aus seinem zwischenzeitlichen Domizil Paris ("Hier bin ich Mensch - und nicht nur Zivilist. Hier darf ich links gehn."). Aber ist er glücklich, fragt Lahann. "Unruhig ist er." So zieht er denn auch immer wieder um. Und gegen Ende, er ist noch nicht einmal 45, aber krank und fragt sich im schwedischen Exil: "Und das soll es nun gewesen sein?" Zuvor schon hatte der Satiriker an den "lieben Leser 1985" geschrieben: "Besser seid Ihr auch nicht als wir und die Vorigen. Aber keine Spur, aber gar keine." Tucholsky hatte "eine übertriebene Hochachtung und Erwartung für das, was dem Geiste möglich ist", meinte sein Kollege Arnold Zweig in seinem Nachruf.

Tucholsky war wie andere im Buch geschilderte Künstler und Schriftsteller über einen "großen Knacks" im Leben nicht hinweggekommen. In einem letzten Brief an seine geliebte Mary hatte er auch an den Abschiedsbrief von Heinrich von Kleist erinnert, den der Dichter des "Zerbrochenen Krugs" im November 1811 in Wannsee geschrieben hat mit dem Satz: "Die Wahrheit ist, daß mir auf Erden nicht zu helfen war."

Bei vielen, so betont Lahann, "wetterleuchtet das Ende schon lange vor der Tat durch ihr Leben". Selbstmörder, schrieb Jean Améry ("Hand an sich legen"), sei man "lange bevor man sich umbringt". Immer wieder bricht bei diesen Menschen eine tiefe Traurigkeit aus, wie beim Maler Ernst Ludwig Kirchner: "Ich war immer allein, je mehr ich unter Menschen kam", notierte der Maler des bunten Großstadtlebens am Potsdamer Platz, der auch ein Atelier im Künstlerviertel Berlin-Friedenau hatte.

- Birgit Lahann: Am Todespunkt - 18 berühmte Dichter und Maler, die sich das Leben nahmen. Verlag J.H.W. Dietz Nachf., 248 Seiten, 22 Euro, ISBN 978-3-8012-0460-0.