Frohburg - Mit Guntram Vesper auf Deutschlandreise
Selbsterlebtes trifft Zeitgeschichte. Auf 1000 Seiten verknüpft der Schriftsteller Guntram Vesper in Frohburg seine eigene Biographie mit akribisch recherchierten Anekdoten der deutschen Geschichte.

Leipzig (dpa) - Um Guntram Vesper war es zuletzt ruhig geworden. Sechs Jahre lang arbeitete der Autor, einst Mitwirkender der Gruppe 47, an einem großen Roman über seine sächsische Geburtsstadt Frohburg. Dann legte der 74-Jährige das mehr als 1000 Seiten starke Frohburg vor.
Ausufernd sei das Werk geworden, schreibt er darin selbst. Es hat ihm nun den Preis der Leipziger Buchmesse eingebracht.
Frohburg ist vieles: Eine Autobiografie Vespers, ein tiefer Blick in das Deutschland der Weimarer Republik, der Nazizeit, der deutsch-deutschen Teilung. Der Schöffling-Verlag nennt es ein Geschichts- und Geschichtenpanorama, wie wir schon lange keines hatten. Tatsächlich reiht Vesper in Frohburg eine sorgsam recherchierte Geschichte an die nächste. Es ist dem Buch auf fast jeder Seite anzumerken, wie viel Aufwand und Akribie darin stecken.
Vesper verbindet Anekdoten aus seiner Familiengeschichte - einen Motorradausflug seiner Eltern Wolfram und Erika, seine Polio-Erkrankung als kleiner Junge, die Übersiedlung in den Westen 1957 und viele andere mehr - mit historischen Geschehnissen. Die Materialflut ist fast erschlagend, weckt aber auch Neugier auf die jeweils nächste zu erzählende Geschichte.
Der Autor schreibt dabei nicht chronologisch, sondern wechselt munter zwischen den Zeiten hin und her. Sowas ist nicht immer eine gute Idee, weil es - schlecht gemacht - die Gefahr birgt, dass der Leser den Überblick verliert. Vesper allerdings gelingen die Zeitensprünge elegant.
So schafft er immer wieder Überraschungsmomente, etwa wenn er einen Dialog seiner Eltern nach der Niederlage der Wehrmacht in Stalingrad mit bissigen Bemerkungen über den aktuellen sächsischen Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich (CDU) enden lässt, einst in der DDR stellvertretender Vorsitzender des Rates des Kreises Kamenz, der sich in jedem tagtäglichen Sachsenspiegel des MDR zwei-, dreimal zeigen lässt, im blaßsteinernen Gesicht mit demokratisch süffisantem Lächeln, das unter den alten Verhältnissen nicht infrage gekommen wäre, undenkbar war, etwas hat er also doch gelernt, der Tillich.
Frohburg ist wegen der vielen Details interessant für Leser, die sich ein wenig in der sächsischen Provinz zwischen Leipzig und Chemnitz auskennen. Aber ausgehend von der Kleinstadt Frohburg und Vespers Familiengeschichte ist es weit mehr als das: Es ist eine ausführliche Zeitreise in die deutsch-deutsche Geschichte.