Hebbel war gnadenloser Individualist und Seelenforscher
Wien/Wesselburen - Friedrich Hebbel war lange Zeit arm, er war ein scharfsinniger Beobachter und er war nicht bei jedem beliebt. "Vor allem war er Individualist, das passte nicht jedem", sagt Monika Ritzer, Präsidentin der Hebbel-Gesellschaft.
Sie ist überzeugt, dass Hebbel (1813-1863) als Dichter und Schriftsteller viele aktuelle Themen durchdacht hat.
So habe er Profilierungssucht als tragisches Problem erkannt. "Wir wollen alle gelten, uns präsentieren", sagt Ritzer, die gerade an einer Hebbel-Biographie arbeitet. Der gern als "verkannt" beschriebene Dichter aus Wesselburen im damals dänischen Schleswig-Holstein ist vor 150 Jahren (13. Dezember 1863) in Wien gestorben.
Wien war laut Ritzer der "Sehnsuchtsort" für Hebbel, in dem er die letzten 18 Jahre seines Lebens verbrachte. Kindheit und Jugend im Norden waren von äußerster Armut geprägt, seine Bildung verdankte der junge Hebbel dem Eigenstudium und Gönnern, die sein Talent erkannten. Früh begann Hebbel Tagebuch zu führen. Die Tagebücher gelten als bedeutendes sozialgeschichtliches Dokument und Zeugnis radikaler Selbsterforschung. "Franz Kafka ist mit Hebbels Tagebüchern unterm Kopfkissen eingeschlafen", sagt Ritzer, die an der Universität Leipzig Neuere deutsche Literaturwissenschaft lehrt.
Etwa ein Dutzend Bühnenstücke hat Hebbel verfasst, Erzählungen und viele Gedichte hinterlassen. Im "Nachtlied" beschreibt Hebbel die "Quellende, schwellende Nacht,/Voll von Lichtern und Sternen:/In den ewigen Fernen,/Sage, was ist da erwacht!". Im Trauerspiel "Maria Magdalena" von 1843 geht es um die dramatischen Folgen einer ungewollten Schwangerschaft. Doch Hebbel frage nicht nur nach den Konsequenzen der Sittenstrenge, sondern auch, welche wichtige Rolle diese Normen spielten, sagt Ritzer. In "Judith" stehe der moderne "Macho" in Gestalt des später geköpften Holofernes auf der Bühne. Sein heute noch meistgespieltes Stück sind die "Nibelungen".
Die Jahre der Armut waren für Hebbel erst sicher vorbei, als er in Wien 1846 die Burgschauspielerin Christine Enghaus heiratete. In der von ihm geliebten Hauptstadt der Habsburger Monarchie fasste Hebbel aber beruflich nicht wirklich Fuß. Das Burgtheater war, abgesehen von der Zeit der Revolution 1848, keine Bühne für seine Stücke. Dahinter verbarg sich ein persönlicher Zwist mit dem Direktor des Hauses, der Hebbels Stücke verbannte. "Das hat Hebbel sehr geschadet. Was am Burgtheater gespielt wurde, wurde überall nachgespielt", sagt Ritzer.
Insofern spricht alles für eine Neuentdeckung: Auf dem Spielplan der "Burg" steht für Februar 2014 die Premiere der "Maria Magdalena" in der Regie von Michael Thalheimer.