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Jugendbücher Patchwork im Fokus der Autoren

Verlage bringen immer mehr Regenbogen- und Patchworkfamilien in ihren Büchern unter - doch wie vermittelt man das Thema richtig?

Von Franziska Höhnl und Birgit Zimmermann 26.03.2017, 23:01

Leipzig (dpa) l Heidi, Pippi Langstrumpf und Harry Potter haben es vorgemacht, ohne es an die große Glocke zu hängen: Familien sind mehr als das sprichwörtliche Bilderbuchidyll Vater, Mutter, Kind. Harry Potters Eltern sind tot, er wird adoptiert und lebt im Schrank. Pippis Papa ist fern und sie erzieht sich quasi selbst – und Heidi wächst beim eigenbrötlerischen Großvater auf. Seit Neuestem ist die ganze Palette von Familienentwürfen eines der Top-Themen für Kinder- und Jugendbuchverlage. Doch funktioniert das bei Eltern und Kindern – und wie vermittelt man das ganze Spektrum richtig? Darüber wurde auf der Leipziger Buchmesse gestritten.

Manches funktioniere einfach nicht, konstatiert die Braunschweiger Buchhändlerin Birgit Schollmeyer. Ihr Beispielbuch: „George“ über einen Jungen, der sich eigentlich als Mädchen fühlt. Ihre jungen Leser hätten es einfach gnadenlos weggelegt. „Da habe ich mich schon gefragt: Ist das nicht eigentlich für Erwachsene geschrieben?“ Schollmeyer sitzt auf einem Podium, das die Ergebnisse des neuen Trendberichts zum Kinder- und Jugendbuch diskutiert.

Tenor: Die ganze Palette heutiger Familienwirklichkeit von alleinerziehenden Eltern über Patchwork bis hin zu Regenbogenfamilien wird zunehmend thematisiert. Neben dem Fantasy-Trend gehörten die veränderten Lebensrealitäten zu den großen aktuellen Themen in den Büchern für junge Leser, teilte die Arbeitsgemeinschaft von Jugendbuchverlagen (avj) mit.

Ob die Bücher bei den jungen Lesern ankommen, hänge stark von der Lebensrealität der Kinder ab, sagt Buchhändlerin Schollmeyer. So gebe es ein merkliches Stadt-Land-Gefälle. In den großen Städten wünschten sich junge Lehrer zum Beispiel nicht nur Weiße, sondern auch mehr Menschen mit anderer Hautfarbe als Protagonisten – da sie diese Realität täglich erleben. In Kleinstädten und auf dem Dorf verkauften sich Bücher zu neuen Familienkonstellationen im Gegensatz dazu nicht so gut. Die jungen Leser wünschen sich durchaus Bücher, die Probleme behandeln, sagt Bloggerin Stefanie Leo, die seit vielen Jahren das Portal „buecherkinder.de“ betreibt. Allerdings forderten sie oft auch Humor ein – und ein Happy End. „Sie wollen glaubhafte Lösungen für die geschilderten Probleme haben.“ Rund 40 Kinder und Jugendliche lesen und rezensieren dabei für die Plattform Bücher, Stefanie Leo betreut dabei das Projekt.

„Der deutsche Buchmarkt bietet so eine große Vielfalt an Themen, Helden und Antihelden – wer da nichts findet, der liest einfach nicht gern“, sagt Leo. Tatsächlich erscheinen jedes Jahr zwischen 8000 und 9000 neue Kinder- und Jugendbücher. Etwa ein Sechstel des Umsatzes macht die Buchbranche mit dem Segment. Der Umsatz mit Kinder- und Jugendbüchern stieg von 2015 auf 2016 um 9 Prozent.

Neben Bestsellern wie „Gregs Tagebuch“ werden auch aktuelle politische und gesellschaftliche Themen behandelt, fasst die Journalistin Katrin Hörnlein zusammen. Sie ist die Jury-Vorsitzende des Kinder- und Jugendbuchpreises „Luchs“. Gerade die Preise und Auszeichnungen könnten bei der richtigen Auswahl im riesigen Angebot helfen. „Es gibt einen Riesenwunsch nach Orientierung“, sagt Hörnlein. Wie erzählt man vom ganzen Spektrum an Lebenswirklichkeiten? Der Journalist Ralf Schweikart plädiert auf dem Podium für die Pippi-Langstrumpf-Lösung: „Da schwingt das einfach mit. Das hat uns beim Lesen nie gestört, dass da keine vollständige Familie ist. Aber es steht im Subtext.“