Referendare kurz vorm Nervenzusammenbruch
München - Angehende Lehrer haben es schwer. Sie sind heillos überfordert, nervös, genervt und planlos. Die meisten ihrer Schüler sind dumm, unmotiviert und faul.
In Thorsten Wieses Buch "Nein, Torben-Jasper, du hast keinen Telefonjoker" geben Deutschlands Referendare ein jämmerliches Bild ab. Zwischen viel zu streng und laissez faire suchen sie ihren Platz in der fremden, feindlich gesinnten Schule. Und der Betreuungslehrer vermag ihnen noch das letzte bisschen Spaß an dem künftigen Beruf zu nehmen.
"Wir freuen uns, Ihnen mitteilen zu können, dass Sie zum Vorbereitungsdienst für das Lehramt zugelassen werden." Mit diesem Satz beginnt für die Referendare, die Wiese für sein Buch ihr Herz ausgeschüttet haben, eine monatelange Qual. Schon in seinem Vorwort macht der Autor klar, wie die Hack-Ordnung aussieht. Seine Referendare - "mit dem Rücken zur Tafel, mit den Nerven am Ende und mit grauer Theorie im Kopf" - können in diesem System nur verlieren.
Im Kampf um eine gute Note stehen sie unter einem immensen Druck. Deshalb sind sie sich auch nicht zu schade, auf einer Schleimspur in die nächste Lehrprobe zu rutschen und dem Prüfer seine Lieblingskekse anzudienen. Was sein muss, muss sein.
Die vielen, kurzen Einblicke in den "Ref"-Alltag sind amüsant geschrieben, sie gleichen Sketchen im Privatfernsehen. Leider beschreiben sie nur und reflektieren wenig. Fakt ist: Viele Referendare sind mit dem Praxisschock Schule überfordert. Mangelnde Vorbereitung an der Uni, zu wenig Unterstützung an der Schule - Ursachen gibt es viele. Diese ernsthaft anzuprangern, scheint jedoch nicht Wieses Anliegen. Sein Buch ist in erster Linie eines: Unterhaltung. Das ist okay, an vielen Stellen aber auch schade.
Am schlechtesten weg kommen die Schüler, die völlig unambitioniert und lethargisch in ihren Bänken hängen. In dem Text einer Referendarin aus Celle heißt es: "Deutlich mehr als die Hälfte verlässt morgens nur das Haus, weil es bei uns warm und trocken ist, Edeka erst um 9 Uhr aufmacht und die Eltern den Fernseher vormittags für sich alleine haben wollen."
Das Buch liest sich flüssig, hält aber nicht lange vor. Die Anekdoten scheinen sich mehr und mehr zu ähneln, schon bald ist es egal, ob Claas aus Nordrhein-Westfalen, Manuela aus Passau oder Anna aus Köln erzählt. Es ist sicher eine nette Geschenkidee für angehende Referendare, deren Eltern oder solche, die bereits im Schulbetrieb die Nerven verlieren. Die breite Leserschaft dürfte hingegen schnell das Interesse verlieren.
Thorsten Wiese: "Nein, Torben-Jasper, du hast keinen Telefonjoker. Referendare erzählen vom täglichen Klassen-Kampf", Riva Verlag München, 206 Seiten, 9,99 Euro, ISBN 978-3868833430.