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70. Geburtstag T.C. Boyle: Ich schreibe, bis mein Gehirn abstirbt

T.C. Boyle schätzt Günter Grass und verachtet Donald Trump. Nach wie vor schreibt er üblicherweise jeden Tag. Ein Interview.

Von Interview: Andreas Heimann, dpa 29.11.2018, 10:06

Berlin (dpa) - T.C. Boyle arbeitet schon wieder an einem Roman. Dabei erscheint sein jüngster, "Das Licht", erst im Januar. Aufhören will er erst, wenn sein Gehirn abstirbt, wie er sagt.

"Ich arbeite jeden Tag. An manchen Tagen geht es gut, an manchen weniger - aber ich bin gut auf der Fernstrecke", sagte der US-Schriftsteller, der am 2. Dezember 70 Jahre alt wird, der Deutschen Presse-Agentur.

Frage: Sie sind jetzt 70, viele andere würden lieber mit 60 aufhören zu arbeiten. Wann gehen Sie in Rente?

Antwort: Wenn mein Gehirn abstirbt. Im Moment recherchiere ich für den Roman, der nach "Das Licht" erscheinen soll. Ich weiß jetzt noch nicht, ob das Früchte tragen wird. Falls ja, bin ich glücklich, weil ich dann einen Grund habe, jeden Morgen aufzustehen. Falls nicht, werden Sie über meinen Selbstmord berichten.

Frage: Wie schreiben Sie Ihre Bücher? Und hat sich daran in den vergangenen Jahren etwas geändert?

Antwort: Nein, ich behalte immer die gleiche Routine bei. Ich arbeite jeden Tag. An manchen Tagen geht es gut, an manchen weniger - aber meine Distanz ist die Langstrecke.

Frage: Welches Ihrer Bücher mögen Sie am liebsten?

Antwort: Weil ich es so oft gefragt werde, habe ich beschlossen, mein erstes, "Wassermusik", dafür zu nominieren. Es ist ein wilder, weitausholender Roman, ein Taumeln entlang des Abgrunds. Es hat mir den Weg gezeigt, Romanautor zu werden.

Frage: Sie kommen regelmäßig nach Deutschland, um aus Ihren Büchern zu lesen - nicht selbstverständlich für einen US-Schriftsteller. Warum machen Sie das?

Antwort: Ich mag es, meine Texte laut vor Publikum zu lesen, das ist für mich ausgesprochen spannend. Das Publikum hört den Text dann in seinem ursprünglichen Tonfall und Rhythmus und das, hoffe ich, erinnert sie an die ersten Geschichten, die ihnen laut von ihren Eltern vorgelesen wurden.

Frage: Welche deutsche Autoren mögen Sie besonders?

Antwort: Günter Grass war einer der Autoren, denen ich es verdanke, Schriftsteller geworden zu sein, und ich werde sein Werk immer verehren. Der österreichische Autor Thomas Bernhard ist ebenso seit Langem einer meiner Favoriten - ich mag seinen bösen Humor sehr.

Frage: Sie haben Präsident Donald Trump kritisiert, sobald er gewählt war. Und Ihre Einstellung scheint sich wenig geändert zu haben.

Antwort: Ich verabscheue Trump und alles, was mit ihm zu tun hat. Er steht für das Schlimmste an Amerika, an der ganzen Menschheit. Sein Rassismus, seine Frauenfeindlichkeit, seine Vetternwirtschaft, seine Falschheit und Kriminalität stehen im Widerspruch zu unserer Demokratie. Unser System wird ihn überleben.

Frage: Was war der Grund, warum Sie in "Das Licht" über Timothy Leary geschrieben haben?

Antwort: 2003 habe ich "Drop City" veröffentlicht, einen Roman über die Zurück-zur-Natur-Bewegung in den späten 1960er Jahren, und habe mich gefragt, ob das ein unerfüllbarer Traum war, sich aus der Konsumgesellschaft zurückzuziehen. Das Buch beginnt mit einer Szene, in der die Mitglieder einer Kommune auf einem LSD-Trip sind. "Das Licht" ist ein Versuch zu ergründen, wo diese Droge herkam und wie sie die Gesellschaft verändert hat. Der Roman spielt etwas früher, 1962 bis 1965. Ich bin fasziniert davon, dass eine Droge unseren Verstand ausschalten kann und uns unverstellte Sinneserfahrungen ermöglicht. Das Buch erkundet solche Möglichkeiten. Gibt es einen Gott? Kann eine Droge uns helfen, die Verbindung zu ihm, ihr herzustellen? Wie nehmen andere Lebewesen ihre Umwelt wahr? Wer sind wir?

Frage: Welche Rolle spielen Drogen heute in Ihrem eigenen Leben?

Antwort: Ich lebe gesund. Ich nehme keine illegalen Drogen, gar keine, weil ich glücklicherweise keine Beschwerden habe. Alkohol - besonders Pinot noir - spielt in meinem Leben eine gewisse Rolle, so wie Marihuana. Aber ich habe kein LSD mehr genommen, seit ich in meinen Zwanzigern war.

Frage: Sie haben eine Reihe von Büchern über historische Persönlichkeiten geschrieben, meistens Männer - warum?

Antwort: Kellogg, Kinsey, Frank Lloyd Wright, Mungo Park waren alles wichtige Persönlichkeiten der Kulturgeschichte, die mich interessiert. Natürlich habe ich "Die Frauen" aus der Perspektive der Ehefrauen und Geliebten von Frank Lloyd Wright erzählt und "San Miguel" mit den Stimmen der Frauen, aber die zuvor erwähnten Männer sind diejenigen, an die man sich erinnert.

ZUR PERSON: T.C. Boyle wurde am 2. Dezember 1948 in Peekskill im Bundesstaat New York geboren. Er studierte Englisch und Geschichte, arbeitete einige Zeit lang als Lehrer, promovierte anschließend und übernahme eine Stelle als Dozent für Kreatives Schreiben. Er hat 17 Romane geschrieben und Dutzende von Kurzgeschichten. Boyle lebt mit seiner Familie im kalifornischen Santa Barbara.