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Über Axel Springer und Berlin

Axel Springer hat als Verleger das Klima der Bundesrepublik mitgeprägt. Springers Weltsicht wäre ohne seine Begeisterung für Berlin kaum zu verstehen, wie ein neues Buch jetzt nachzeichnet.

Von Esteban Engel, dpa 22.09.2015, 14:35

Berlin (dpa) - Axel Springer und Berlin - die deutsche Hauptstadt war der Sehnsuchtsort des einst mächtigsten Medienmenschen der Republik. Zwar beließ Springer den Hauptsitz seines Zeitungs- und Zeitschriftenimperiums in Hamburg. Dort saß Bild, dort hatte Die Welt die größte Verbreitung. Doch schon seit Jugendjahren zog es den Norddeutschen an die Spree.

Mit seinem Verlagsturm direkt an der Mauer setzte Springer (1912-1985) dann ein sichtbares Zeichen für sein Bekenntnis zur damals geteilten Stadt. Ohne Leute wie Springer wäre Berlin heute nicht im Begriff, das zu werden, was es verspricht, schreibt Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner im Vorwort zu einem Buch, das zum 30. Todestag des Verlegers am 22. September erscheint.

Berlin ist das Herz Europas. Ich kenne kein anderes - der leicht pathetisch klingende Titel könnte beim ersten Durchblättern in die Irre führen. Denn Döpfner und die etwa zwei Dutzend Autoren aus dem Hause Springer haben keinen nostalgisch angelegten Berlin-Band mit Floskeln à la Hauptstadt der Toleranz oder Berlin-Bullshit wie Magnet der Kreativen vorgelegt. Es gehe um Klischeezertrümmerung, wie Herausgeber Döpfner schreibt.

Der Verlag habe für den Todestag keine Lust auf eine weitere allgemeinbewundernde Festschrift gehabt: Und das bedeutet weder Berlin-Verherrlichung noch Axel-Springer-Hagiografie. Von Benjamin von Stuckrad-Barre, der ein fiktives Gespräch Springers mit seinem Therapeuten nachzeichnet, über Ronja Larissa von Rönne, Wolfgang Büscher und Stefan Aust - jeder Autor hat sich mit eigenem Blick dem Bild-Patriarchen und dessen Berliner Jahren genähert.

Ob die Übernahme des Ullstein-Verlags 1960, das Engagement für die Wiedervereinigung oder die Begeisterung für das Boulevard - Springers Hinwendung zu Berlin sei auch eine Abwendung von Konrad Adenauers Bonner Republik und den satten rheinischen Kapitalisten gewesen, schreibt Alan Posener.

Doch bei aller Liebe - Missverständnisse und Enttäuschungen blieben nicht aus, wie Thomas Schmid in einem Beitrag über Springer und die revoltierende Jugend der Sechziger nachzeichnet. Für die aufbegehrenden Studenten war Springer ein Buhmann, das bekam der Bild-Verlag auch 1968 deutlich zu spüren.

Zwar habe inzwischen die Zahl jener, die den Verlag für eine Macht der Finsternis halten, beträchtlich abgenommen, schreibt Schmid, einst selber ein 68er und später Welt-Herausgeber. Aber Springer und die Studenten seien zu sehr ihren jeweiligen sozialen Milieus verankert gewesen, als dass sie Verständnis füreinander hätten aufbringen können. Eins teilten beide Seiten dann doch: Das Erschrecken über die NS-Barbarei, der Wille nach einem Nie Wieder. Und auch das: Ein gewisser Unernst, ein Hang zum Spielerischen.

Tatsächlich ging Springer (wie den 68ern) ein gewisser Hedonismus nicht ab, wie Henryk M. Broder zu den Auto-Vorlieben des Verlegers schreibt. Ein Lebemann, dem Guten, Schönen und Teueren zugetan, sei Springer gewesen. Seine Vorliebe für Luxuskarossen stehe für eine Zeit, als Autos noch echte Statussymbole waren und nicht nach ihrem CO2-Ausstoß beurteilt wurden. Es waren keine schlechten Zeiten, lautet der letzte Satz im Buch.

- Berlin ist das Herz Europas, ich kenne kein anderes - Axel Springer und seine Stadt, Herausgegegen von Mathias Döpfner, Edition Braus, Berlin 2015, 288 Seiten, 29,95 Euro, ISBN 978-3-86227-135-0