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Bayerischer Kabarettist Helmut Schleich ist zu Gast in Magdeburg "Das Ost-Publikum ist aufmerksamer"

24.10.2013, 01:12

Helmut Schleichs Paraderolle ist der Politiker Franz Josef Strauß. In diesem Jahr erhielt der Kabarettist den Deutschen Kleinkunstpreis. Volksstimme-Volontärin Franziska Ellrich sprach mit ihm über eingeplante Lacher, Feinde und was das Magdeburger Publikum erwartet.

Volksstimme: Was macht man, wenn mal keiner lacht?

Helmut Schleich: Diese Erfahrung habe ich nie gemacht. Natürlich plane ich Lacher ein, aber das kann man nicht kalkulieren.

Volksstimme: Ist das Satire?

Schleich: Auf jeden Fall. Lachen ist das Mittel zum Zweck, um auf Dinge, die aufregen und verärgern, aufmerksam zu machen.

Volksstimme: Wie sind Sie zum Kabarett gekommen?

Schleich: Das war schon zu Schulzeiten eine Leidenschaft. Mit 17 habe ich mit Parodien begonnen. Der Spaß ist bis heute geblieben.

Volksstimme: Heute sind Sie 46 Jahre alt. Gab es Zeiten, in denen Sie was anderes versucht haben?

Schleich: Die gab es. Ich habe Geografie studiert, weil meine damalige Freundin fand, dass Kabarett nichts für mich ist. Weder mit der Freundin noch mit dem Studium hat es geklappt.

Volksstimme: Sie stellen auf der Bühne alles dar, vom Politiker bis zum Stammtischproleten. Gibt es eine Paraderolle?

Schleich: Die gibt es. Vor fünf Jahren habe ich den Politiker Franz Josef Strauß wiederbelebt. Zu der Zeit, als die CSU in Bayern die absolute Mehrheit verloren hat. Das hatte niemand für möglich gehalten. Das Besondere an meinem Strauß: Er wettert zu 90 Prozent gegen die eigenen Leute und muss sich im Unterschied zum Original auch dem Zusammenbruch der DDR stellen.

Volksstimme: Das bedeutet?

Schleich: Er wäre sicher nicht glücklich über das vereinigte Wirtschaftsgebiet gewesen.

Volksstimme: Wer andere parodiert, macht sich Feinde?

Schleich: Das geht bis zu Gewaltandrohungen, die ich bereits bekommen habe. In Bayern darf man nie zuviel gegen den FC Bayern sagen. Und natürlich nicht gegen die katholische Kirche. Da kommt es auf das richtige Maß an.

Volksstimme: Die Politiker?

Schleich: Leider nehmen die eher konservativen Politiker die Sache oft mit mehr Humor als die der linken Seite. Das liegt vielleicht an dem Selbstbewusstsein der Mächtigen.

Volksstimme: Wie studieren Sie Ihre Rollen? Den Stammtischproleten zum Beispiel - verbringen Sie dafür die Nächte in der Kneipe?

Schleich: Das ganze Kabarettistenleben ist ein Sammeln. Sobald man am Leben teilnimmt, saugt man die Eindrücke und Ideen auf. Wenn ich unter Menschen bin, beobachte ich automatisch. Und dann beginnt die Arbeit am Schreibtisch. Ich muss die Eindrücke in die richtige Form gießen.

Volksstimme: Ist der Text bei jedem Auftritt genau gleich?

Schleich: Natürlich nicht. Im Groben ist der Text vorgegeben, aber ich lasse immer Nischen für aktuelle Themen. Das mache ich auch von den jeweiligen Auftrittsorten abhängig. Jederzeit die Möglichkeit haben, zu improvisieren - das ist doch der Reiz.

Volksstimme: Und wenn Ihnen der Text mal entfällt?

Schleich: Dann am besten offensiv damit umgehen, dazu stehen und das Publikum aufklären. Nichts ist schlimmer, als so zu tun, als wäre nichts.

Volksstimme: Ihnen wurde in diesem Jahr der Kleinkunstpreis verliehen. Wo steht der?

Schleich: Gerade neben meiner Eingangstür, weil ich ihn vor kurzem aus dem Keller geholt habe. Meine Kinder haben bereits ihr Interesse an der großen Glocke bekundet.

Volksstimme: Sind Sie stolz?

Schleich: Ja, sehr. Denn bisher wurden alle damit geehrt, die Rang und Namen haben.

Volksstimme: Sie passen Ihr Programm den Städten an - unterscheidet sich das Publikum?

Schleich: Ja. Die Bayern lachen über andere Dinge als die Menschen in Hamburg.

Volksstimme: Und worüber lachen die Magdeburger? Waren Sie schonmal zu Gast?

Schleich: Noch nie. Meine ersten Erfahrungen mit dem ostdeutschen Publikum habe ich in Leipzig gemacht.

Volksstimme: Ihr Fazit?

Schleich: Ich habe das Gefühl, dass das ostdeutsche Publikum im Kabarett im Durchschnitt einen Ticken älter ist. Dafür sind die Gäste aber auch mindestens zwei Ticken aufmerksamer. Sie lesen gern zwischen den Zeilen und haben große Lust, über Anspielungen zu lachen.

Mit seinem Programm "Nicht mit mir" ist der Kabarettist am Montag, 28. Oktober, in der Zwickmühle zu sehen.