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Volksstimme-Serie " Mein Garten – meine Welt " / Teil 25 : Horst Völker leitet seit 29 Jahren die Sparte " Heinrich Zille " in Güsen Der Garten im Wandel der Zeit: Einst heiß begehrt, jetzt oft verwaist

Von Anja Guse 21.06.2010, 06:49

Ohne Horst Völker läuft in der Gartensparte " Heinrich Zille " in Güsen nichts. Seit fast 30 Jahren hält er als Vorsitzender die idyllische Sparte zusammen. In dieser Zeit hat sich einiges verändert. Der Papierkrieg mit den Behörden wurde heftiger, die Abwanderung von Laubenpiepern für den Verein problematischer, das Verpachten der Schollen mühsamer. Und dennoch engagiert sich der 72-Jährige weiter für das Leben in seiner Sparte.

Güsen. Horst Völker lächelt zufrieden. Gemütlich sitzt der 72-Jährige in einem Stuhl auf seiner Gartenterrasse. Der Rentner genießt die warmen Sonnenstrahlen. So ruhig wie heute, mitten in der Woche, ist es selten in der Sparte " Heinrich Zille " in Güsen. Nur wenige Naturfreunde finden an diesem Tag den Weg in ihre kleine grüne Oase. Horst Völker schaut fast täglich hier vorbei.

Seit 36 Jahren ist der ehemalige Eisenbahner stolzer Pächter einer Scholle am Rande der kleinen Gemeinde. Und seit 29 Jahren leitet er als Vorsitzender die Geschicke des Vereins, " weil die alten Herren gestorben waren ".

Der freundliche Mann kennt jeden seiner Nachbarn. In der 4, 6 Hektar großen Sparte sah er schon viele Kinder behütet aufwachsen, erlebte manch einen Ehekrach und erfreute sich mindestens ebenso häufig an gärtnerischen Erfolgen im eigenen Kleinod.

Doch in all den Jahren hat sich eine Menge verändert. " Früher konnten die Leute nicht genug Gartenflächen bekommen. Da wurde alles Mögliche angebaut : Kartoffeln, Erbsen, Bohnen, Grünkohl, Kohlrabi, Erdbeeren …", erinnert sich Horst Völker und atmet tief durch.

Früher, das war vor der politischen Wende, in einer Zeit, in der nicht alle Lebensmittel griffbereit in der Kaufhalle lagen. " Da haben viele ihre Erträge für die Volkswirtschaft abgegeben und gutes Geld kassiert. Und bei den jährlichen Volksfesten gab es tolle Verkaufsstände. "

Der gärtnerische Aufschwung kam 1981 mit dem Verlegen von Stromkabeln. Seither wuchsen in der Sparte " Heinrich Zille " Gurken und Tomaten vermehrt in Gewächshäusern heran.

Heute ist davon kaum noch etwas zu sehen. Zwischen einzelnen Möhren- und Kartoffelfeldern, Obstwiesen, Kräuterund Erdbeerbeeten liegen ganze Flächen brach. Von 83 Gärten sind derzeit 76 verpachtet. Kaum vorstellbar, gab es doch zu DDR-Zeiten noch lange Wartelisten. " Damals hatten nur wenige Menschen ein eigenes Haus mit Grundstück. Da waren die kleinen Gärten sehr beliebt. Jetzt haben wir Mühe, die Leute hier zu halten. Das kommt allen Vereinsmitgliedern teuer zu stehen. Schließlich müssen wir auch für die freien Flächen Pacht zahlen ", berichtet der Rentner und blättert in seinen Unterlagen.

Mit Blick auf die Papiere wird seine Miene ernst. " Unsere Gärtner werden immer älter. Das ist auch ein großes Problem ", meint er stirnrunzelnd und zeigt auf einen Mann auf dem Nachbargrundstück. " Er ist schon 82 Jahre alt ", sagt der Vorsitzende und seufzt.

Der Nachwuchs aus der Region zeigt wenig Lust und Gespür für die eigene Zucht von Obst und Gemüse. " Sie reisen lieber oder gehen feiern. Kaum einer will sich noch mühen. Und die Jugend interessiert sich schlichtweg nicht für einen Garten ", überlegt Horst Völker laut. Er ist betrübt.

In persönlichen Gesprächen versucht der Vereinsvorsitzende immer wieder, neue Pächter zu gewinnen. Er spricht Bekannte an und wirbt in Freundeskreisen. " Anders geht es nicht mehr ", berichtet er und zählt überzeugend die Vorteile einer Scholle auf.

" Der Garten ist ein Ort der Erholung. Hier wachsen Blumen und leckeres Obst an den Bäumen. Außerdem bietet er immer noch eine günstige und frische Alternative zu den teuren Lebensmitteln im Supermarkt. " Erst vor wenigen Monaten ist Horst Völker mit seiner Frau Gerhild wieder auf den Geschmack selbst gekochter Kirschmarmelade gekommen. " Lecker. "

Und noch etwas hat sich in den vergangenen Jahren geändert. Der Schriftverkehr zwischen dem Vorsitzenden und den Behörden ist größer geworden. " Nach der Wende mussten wir uns als Verein registrieren lassen und eine eigene Satzung erarbeiten. Außerdem mussten neue einzelne Pachtverträge erstellt werden. Das war eine Heidenarbeit. " Die Satzung wurde von einem Notar beglaubigt, jede Änderung darin ist mit viel bürokratischem Aufwand verbunden. Selbst wenn ein neuer Vorstand gewählt wird, muss dies beim Gericht vermerkt werden. Alle drei Jahre wird zudem eine Steuererklärung fällig.

Doch Horst Völker trotzt allen Widrigkeiten. Die Liebe zum Garten ist in all den Jahren geblieben. Die Freude über neue Blumensorten und das frische Obst aus eigener Zucht ebenso. Auch die Arbeit als Vorsitzender will er nicht so schnell aufgeben. " Ich mache so lange weiter, wie es die Gesundheit zulässt ", meint der 72-Jährige, der sich auch im Kreisvorstand der Gartenfreunde Burg engagiert. Sein Ziel ist, die Gartenanlage zu erhalten. " Und die Pachtpreise sollen stabil bleiben ", sagt er und schiebt seine Unterlagen zusammen.