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Der Maler mit dem Rakel: K.O. Götz wird 102

Karl Otto Götz war ein Pionier der abstrakten Kunst der Nachkriegszeit. Nun wird er 102 Jahre alt - und ist damit wohl der älteste lebende bedeutende Künstler in Deutschland.

Von Dorothea Hülsmeier, dpa 21.02.2016, 22:59

Düsseldorf (dpa) - Manchmal zieht es Karl Otto Götz noch in sein Atelier. Der Maler mit dem Rakel, einer der kraftvollsten abstrakten Maler Deutschlands, wird am 22. Februar 102 Jahre alt. Damit ist K.O. Götz, wie alle ihn nennen, wohl der älteste noch lebende bedeutende deutsche Künstler.

Geboren wurde K.O. Götz 1914 in Aachen, noch vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Unter den Nazis hatte er wegen seiner Vorliebe für Abstraktes Malverbot. Er war noch befreundet mit Hans Arp und Otto Dix, dem er mal Jazz-Schallplatten ins Atelier brachte.

Seit vielen Jahren lebt Götz mit seiner Frau Rissa (77), die ebenfalls Künstlerin ist, in dem kleinen Ort Niederbreitbach-Wolfenacker im Westerwald. Sein Augenlicht hat ihn lange verlassen, doch mit Hilfe von Rissa konnte er bis ins hohe Alter weitermalen. Es gehe K.O. Götz so weit gut, sagt Joachim Lissmann, Vorstand der K.O. Götz und Rissa-Stiftung. Sein Gesundheitszustand sei unverändert stabil. Er könne auch noch laufen, aber verlasse sein Haus nicht mehr.

Seit K.O. Götz vor zwei Jahren zu seinem 100. Geburtstag mit großen Ausstellungen, unter anderem in der Berliner Neuen Nationalgalerie, geehrt wurde, ist das Interesse an ihm wieder größer geworden. Durch die Wiederentdeckung nimmt K.O. Götz nun eine Ausnahmestellung in der Gruppe der abstrakten Nachkriegskünstler ein. Wurde er zuvor als Teil der von ihm mitgegründeten Informel-Bewegung gesehen, so steche er inzwischen als Einzelkünstler heraus, sagt Lissmann.

Bilder von K.O. Götz werden für internationale Ausstellungen nachgefragt. Bis ins Spätwerk wirken seine Bilder, in denen die Farben zu explodieren scheinen, ultramodern und avantgardistisch. Durch K.O. Götz erwachte auch das Interesse an anderen, längst gestorbenen Informel-Malern wie Bernard Schultze oder Fred Thieler neu. Doch nur Götz' Werke werden auf dem Kunstmarkt heute im sechsstelligen Bereich gehandelt.

Grundprinzipien der Technik von K.O. Götz sind das schnelle Malen und die Rakeltechnik. Berühmt wurde er mit großformatigen gestischen Schwarz-Weiß-Kompositionen. Später malte er temperamentvolle Bilder mit gelben, blauen oder roten Farbströmen, Wirbeln und Schlieren. Abstrakt ist schöner - so lautete das Motto des Biennale- und Documenta-Teilnehmers, dessen stilistische Anfänge nah bei den Surrealisten und Miró lagen.

Auch wenn die Bilder wild erscheinen, so überließ Götz in seiner Art zu malen nichts dem Zufall. Erst entwarf er das Bild akribisch vor seinem inneren Auge oder mit Skizzen, dann grundierte er die Leinwand mit Kleister und goss Farbe darauf. In Sekundenschnelle zog er dann einen Rakel darüber - einen Schaber, wie ihn Handwerker benutzen. Wie die amerikanischen Künstler des Action Painting bearbeitete er die Leinwand auf dem Boden.

Nach dem Zweiten Weltkrieg war K.O. Götz als einziger Deutscher Mitglied der internationalen Künstlergruppe CoBrA. Nach Ansicht des Kunsthistorikers Werner Spies waren es Götz und Willi Baumeister, der in Paris zum Protagonisten eines neuen Dialogs der Avantgarden beider Länder wurden.

20 Jahre lang, von 1959 bis 1979, lehrte Götz auch als Professor an der Kunstakademie Düsseldorf. Seine Schüler Gerhard Richter und Sigmar Polke wurden weltberühmt. Der 84-jährige Richter arbeitet bis heute mit dem Rakel.

Website K.O. Götz