Archäologen untersuchen 55 Tonnen schweren Aushub eines Soldaten-Massengrabes Der Toten-Block aus der Lützen-Schlacht
Soldaten-Knochen aus dem Dreißigjährigen Krieg stehen derzeit im Mittelpunkt der Forschung am Landesamt für Archäologie in Halle. Gestern gewährten die Wissenschaftler zum ersten Mal Einblick.
Halle l Ein riesiger Würfel - sechs mal sieben Meter lang, 55 Tonnen schwer - steht in der Laborhalle des archäologischen Landesamtes. Bereits im November vergangenen Jahres hatten die Forscher den Block aus einem zuvor entdeckten Massengrab aus der Erde geschnitten und nach Halle gebracht, um ihn dort unter Laborbedingungen untersuchen zu können. Blockbergung nennen die Archäologen dieses Verfahren. "Es ist die größte Blockbergung, die in Sachsen-Anhalt jemals unternommen wurde", erzählt der Landesarchäologe Harald Meller.
Der Block wurde in der Laborhalle gewendet und befestigt. Die Archäologen arbeiten auf der Oberseite des etwa 1.50 Meter hohen Erdblocks, der einmal die Unterseite war. In den ersten zehn Zentimetern, die abgetragen wurden, fanden sie bereits Überreste von zwölf Individuen. Meller: "Es scheint, als wären auch Kinder im Alter von 12 bis 14 Jahren dabei. Das berührt einen schon, wenn man das sieht." Uniformteile haben die Jahrhunderte nicht überdauert. Nach ersten Messungen rechnen die Archäologen auch nicht mit metallischen Gegenständen.
Noch etwa ein Jahr lang wollen sich die Wissenschaftler für den Toten-Block Zeit nehmen. Ob die Ausgrabung am Ende als Totenfläche konserviert und in einem Museum ausgestellt wird, könne erst nach Abschluss dieser Arbeiten entschieden werden.
Von der anthropologischen Untersuchung der Knochen erhoffen sich die Archäologen zum Beispiel Auskunft über Alter, Verwundungen und Todesursachen oder auch Krankheiten der gefallenen Soldaten. Harald Meller: "DNA-Analysen können uns Hinweise über die Herkunft der Gefallenen geben. Wir wissen, dass nicht alle Soldaten aus Schweden und Deutschland kamen." An der Seite des Schwedenkönigs kämpften auch Finnen und ein schottisches Regiment.
Damit die Forscher solche Rückschlüsse aus den Knochen überhaupt ziehen können, war das Auffinden von Gräbern entscheidend. Doch das war fast 400 Jahre nach der Schlacht alles andere als einfach. Lokalisiert wurde das Grab, aus dem der Block geborgen wurde, im vergangenen Herbst unmittelbar nördlich der Straße nach Leipzig. Historische Quellen wiesen auf mögliche Grablegungen entlang dieser Straße hin.
Die Straße nach Leipzig existierte an dieser Stelle bereits zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges als Teil der Europa durchquerenden "Via Regia". Geomagnetische Messungen entlang dieser Straße und wohl auch etwas Glück ließen die Archäologen auf das Grab treffen. "Es ist das erste Grab von der Schlacht von Lützen, das bisher lokalisiert und geborgen wurde", so der Landesarchäologe. Meller geht davon aus, dass es bei der Masse an Gefallenen etwa 50 große Massengräber bei Lützen geben muss.
Zuständig für die Anlage der Gräber war in den Zeiten des Dreißigjährigen Krieges die örtliche kursächsische Verwaltungsbehörde. Die Gruben mussten in Handarbeit mit Schaufel und Hacke ausgehoben werden. Da Transporte der Leichname über längere Strecken auch aus Mangel an Pferden und Wagen - diese wurden für den Transport von Verwundeten und Beutegut benötigt - nicht möglich waren, wurden die Gefallenen in der Nähe ihres Todes, also nahe dem Zentrum des Schlachtgeschehens, vergraben.
Meist wurden in einer Grube bis zu 20, manchmal aber auch wesentlich mehr Gefallene bestattet. Harald Meller: "Wie viel Überreste von Menschen in dem jetzt geborgenen Block gefunden werden, lässt sich derzeit noch nicht sagen. Die Ausgrabung steht noch ganz am Anfang." Da bereits in der obersten Schicht die Knochen von zwölf Individuen gefunden wurden, "könnten sich in dem Block die Überreste von fast hundert Menschen befinden, die in mehreren Lagen übereinander liegen", glaubt der Landesarchäologe.
Die wissenschaftliche Aufarbeitung des Schlachtgeschehens um Lützen ist mehr als 150 Jahre alt. Seit 2009 widmet sich aber im Rahmen eines internationalen Forschungsprojektes ein neues, auch mit schwedischen und britischen Wissenschaftlern besetztes Team der Schlachtfeldarchäologie in dem etwa 100 Hektar großen Terrain.
Dank moderner Detektoren bargen archäologische Helfer seither über 10000 Gegenstände. So wurden zum Beispiel Uniformteile, Bleikugeln von Musketen und Pistolen, Ausrüstungsgegenstände, Münzen, Gewehr- und Haubitzenkugeln lokalisiert, geborgen und exakt kartiert. Von der Verteilung dieser Funde auf dem Schlachtfeld wollen die Archäologen neue Erkenntnisse zu Truppenstärken, Truppenaufstellung und deren militärischen Bewegungen gewinnen.
Im Museum des Schlosses Lützen wird heute die Ausstellung "Die blut\'ge Affair\' bei Lützen. Wallensteins Wende" mit vielen Schlachtfeldfundstücken eröffnet. Infos im Internet unter: www.wallenstein-luetzen.de