Maximilian Ponader gibt mit der Oper "Don Giovanni" in Wernigerode sein Debüt "Der Verführer landet nicht in der Hölle"
Der Hamburger Regisseur Maximilian Ponader inszeniert erstmals zu den Wernigeröder Schlossfestspielen. Er führt Regie zu Mozarts Oper "Don Giovanni". Grit Warnat hat mit ihm über seine Arbeit gesprochen.
Volksstimme: "Don Giovanni" ist ein Meisterwerk der Opernwelt. E.T.A. Hoffmann bezeichnete sie gar als die Oper aller Opern. Sie wird viel gespielt. Erschwert das Ihre Arbeit?
Maximilian Ponader: Repertoirewerke sind gut, zeitlos und müssen deshalb gespielt werden. Man findet als Künstler immer seinen eigenen Weg zu einem Stück. Ich habe mich sehr viel mit "Don Giovanni" beschäftigt, ihn für mich analysiert und lese das raus, was ich in der szenischen Umsetzung sehen möchte.
Volksstimme: Und was möchten Sie sehen?
Ponader: Ich setze in meiner Arbeit auf einen allgemein-ästhetischen Ansatz, den ich seit einigen Jahren mit meiner Hamburger Kulturproduktionsinitiative Nysa Kultur verfolge. Es geht um Nysen, eine spezielle Art von Bühnenakteuren, weiße Fantasiewesen, die sich konkreten Rollenzuordungen entziehen, auch unabhängig von einem Stück agieren können. Diese Grundkonzeption setzt den spielenden Menschen, den Akteur in den Fokus. Opulente Kulisse und Kostüme treten dabei in den Hintergrund.
Volksstimme: Funktioniert das auch für die große Oper?
Ponader: Aber ja. Schließlich haben Nysen Wurzeln in ganz archaischen Theaterformen. Ich unterscheide nicht zwischen modern und nichtmodern. Barocktheater war zu seiner Zeit auch modern. Weiße Fantasiewesen sind eher zeitlos, wie jedes gute Theater zeitlos ist. In anderen Regiearbeiten von mir kann jeder Darsteller sogar anziehen, was er will. Das ist bei "Don Giovanni" aber nicht so.
Volksstimme: Halten Sie sich an das Werk?
Ponader: Ja, das ist auch mein Anspruch. Ich interagiere mit den Künstlern, die das Werk geschrieben haben. Ich sitze sozusagen mit Mozart und Da Ponte am Tisch. Ich habe die Aufgabe als Regisseur, das Werk der beiden auf die Bühne zu bringen. Mit meinen Intentionen natürlich. Mir ist der Geschichtenerzähler wichtig. Meine konzeptionellen Überlegungen gehen von den drei Figuren Don Giovanni, Leporello, seinem Diener, und dem Komtur aus. Sie verführen Menschen, in dieser Oper mitzumachen. Die anderen fünf Hauptpartien kommen aus dem Hier und Jetzt. Sie könnten im Publikum sitzen. Sie werden durch Don Giovannis Verführungskunst motiviert, Gefühle zu zeigen, Emotionen auszudrücken und darüber zu singen. Sie merken, dass sie dadurch einen Reichtum für ihr Leben gewinnen. Das ist mein Konzept. Ich löse damit die Trennung zwischen Bühne und Publikum auf.
Volksstimme: Sie sind auch für das Bühnenbild zuständig. Ich nehme an, es wird sehr puristisch sein?
Ponader: Es bietet sich in diesem Fall an. Was will man auch in diesen schönen, eindrücklichen Schlosshof noch hinstellen? Wir haben drei Kulissenteile, die eher Requisitenteile sind. Damit lassen wir alles entstehen.
Volksstimme: Die Oper dreht sich um den großen Verführer, der Frauen auch wehtut. Die einen bewundern ihn, die anderen verdammen ihn. Fasziniert die Figur Sie?
Ponader: Es lohnt sich immer, sich mit ihr auseinanderzusetzen. Don Giovanni ist schon eine Überfigur. Er hat es geschafft, in den verschiedensten Sichtweisen aufzutauchen. Er hat so unglaublich viele Facetten, und immer wieder werden neue Facetten beleuchtet.
Volksstimme: Welche Facette greifen Sie sich heraus?
Ponader: Für mich funktioniert das Stück nicht als eine Moralgeschichte. Um die Moral dieser Zeit zu befriedigen, gab es als fulminanten Schluss diese Höllenfahrt. Bei mir landet der Verführer aber nicht in der Hölle. Das ist ja wie eine Todesstrafe für Verführer. So etwas liegt mir fern. Nach dem ernsthaften Betroffensein der Opfer dieser Verührungskünste, nach den Wutausbrüchen und der Depression, die in der Sprache der Oper ihren Ausdruck gefunden haben, sind die Menschen gereift und stehen an der Schwelle einer ganz neuen Dimension von Leben. Don Giovanni hat die Rolle des Verführers nur vorgespielt, um sie an diesen Punkt zu bringen.
Premiere am 9. August