Wernigeröder Galerie im Ersten Stock zeigt Werke von Ullrich Wallenburg Die andere Sicht auf die Welt
Ungewöhnlich ist, dass die Galerie im Ersten Stock des Wernigeröder Kunst- und Kulturvereins Fotografie zeigt. Ungewöhnlich sind aber auch die Farbfotografien des Cottbusers Ullrich Wallenburg.
Wernigerode l Leuchtender blauer Himmel, der von zwei schwarzen Linien durchschnitten wird, Dreiecke in Grau, Weiß und Schwarz zu einem Bild gefügt, die Lineatur einer Fassadenverkleidung in den Himmel gereckt. Kleine, über Eck stehende Quadrate als schwarzes Gitternetz in Blau getaucht oder ein kreisrunder Ausschnitt einer weiß abschließenden Rotunde unter Blau, räumlich gesetzte Architekturausschnitte, die fein strukturierte Pyramidenspitze eines Washingtoner Museums, wie könnte es anders sein, im blauen Himmel.
Das sind die konstruktiv-geometrischen Bildelemente, mit denen der Fotograf Ullrich Wallenburg arbeitet. Es handelt sich immer um kleine Ausschnitte aus der Wirklichkeit, an der wir im normalen Fall vorbeigehen. Es ist eben eine "Andere Sicht", mit der der Fotograf ans Werk geht. Zuweilen erhält das Motiv eine Drehung, die zwar noch einmal verfremdet, aber dem Werk als Komposition seinen endgültigen "Halt" gibt.
Als Charakteristikum des Wallenburgschen Werkes muss hier auch angefügt werden, dass der Künstler sich keinerlei nachträgliche Veränderungen oder Bearbeitungen des Fotos gestattet. Er nennt seine Arbeiten auch "Gedachte Bilder", weil die "Andere Sicht" erst nach dem Finden eines Motivs und der Konstruktion in seinen Gedanken entsteht. Und Konstruktion ist für Wallenburg ein ebenfalls wichtiger Tatbestand, auch wenn er selbst nicht konstruiert, wie seine malenden Kollegen der Konkreten Kunst, sondern Gefundenes in geometrischen Figuren übernimmt. Oft sind es Dreiecke, Rechtecke und Quadrate, die er zusammenstellt, auch Kreise kommen vor.
In diesen Kompositionen spielt die Diagonale oft eine Hauptrolle. Sie gibt dem eher geometrischen Gefüge Spannung und Rhythmus. Es kommt auch vor, dass er sich mit einer einzigen Linie oder einem einzelnen Lichtstrahl begnügt. Sein "Lichtstrahl in Papitz" ist fast ein Gegenentwurf zu dem Zeichen der Deutschen Bank, das der berühmte Konkrete Anton Stankowski entworfen hat.
Auf der Suche nach dem wirklichen Blau
Frühe Anregungen für seine viel spätere Arbeit fand Wallenburg im Halleschen Museum Moritzburg, wo er den Konstruktivisten El Lissitzky für sich entdeckte.
Ullrich Wallenburg, geboren 1943 in Merseburg, hat zwar in frühen Jahren eine Lehre als Fotograf abgeschlossen, danach aber nicht mehr in dieser Profession gearbeitet. Zur Fotografie kam er dann erst wieder auf der theoretischen Strecke als Kunstwissenschaftler mit internationalem Renommee als der er in Cottbus die vielbeachteten Sammlungen für Fotografie und Plakat in den Brandenburgischen Kunstsammlungen aufbaute. Seit 1997 steht bei ihm die konkrete Fotografie im Mittelpunkt.
Der Schweizer Max Bill, einst Bauhausschüler in Dessau, ist ein wichtiger konkreter Künstler, der sich dahingehend äußerte: "Konkrete Kunst ist in ihrer letzten Konsequenz der reine Ausdruck von harmonischem Maß und Gesetz, sie ordnet Systeme und gibt mit künstlerischen Mitteln diesen Ordnungen das Leben, sie ist real und geistig, unnaturalistisch und dennoch naturnah." In vollem Umfang lässt sich das auch über Wallenburgs OEuvre sagen, das inzwischen rund 200 Arbeiten umfasst, von denen er 70 für Wernigerode ausgewählt hat. Dazu gehört auch seine brandneue Fotografie vom Lichthof des Hotels Gothisches Haus in der Harzstadt, für die er Sonnenlicht, Schatten und Fachwerk genutzt hat.
Wallenburg, bringt sein ästhetisches Credo nach zehn Jahren noch konsequenter und überzeugender auf den Punkt, der nicht nur bildnerisch in allen Belangen überzeugt, sondern ebenso als eine Antwort voller Magie auf die Hektik des Alltags gelten kann. Und das mit Farbenfreude, vor allem auf der Suche nach dem wirklichen Blau. Diese Suche erinnert an eine sehr poetische Erzählung von Anna Seghers. Es bleibt, so will es der Künstler, eine andere Sicht, die uns auf Neues im eigentlich Alten und Bekannten weist ...
Galerie im Ersten Stock, Marktstraße 1, Wernigerode. Die Ausstellung wird bis zum 4. November gezeigt.