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Pippi-Langstrumpf-Inszenierung am Bergtheater Thale beeindruckt mit Humor und Tempo Die Faszination der Piratenhöhle

Von Hans Walter 22.05.2013, 01:16

Eltern und ihre Sprösslinge hatten den richtigen Riecher, als sie sich am Pfingstmontag für die Premiere "Pippi auf den sieben Meeren" des Regisseurs Robert Klatt im Bergtheater Thale entschieden.

Thale l Ein ungetrübtes Vergnügen, bereitet von sechs Schauspielern des Nordharzer Städtebundtheaters. Die "grüne Bühne des Harzes" sah nur vergnügte junge und ältere Zuschauer in der 75-minütigen Vorstellung des Kinderklassikers von Astrid Lindgreen.

Worum geht es? Pippi (Susanne Rösch) und ihre Freunde Annika (Teresa Zschernig) und Tommy (Till Petri) retten mit Witz, flotten Sprüchen und immer neuen Einfällen Pippis Vater, den Kapitän Langstrumpf (Arnold Hofheinz), aus den Fängen zweier Piraten. Gerold Ströher gibt den das Unheil organisierenden Blut-Svente, Gregor Faubel den liebenswert-tumben Messer-Jocke.

Regisseur Robert Klatt, der bereits 2011 mit "Ronja Räubertochter" in Thale, mit "Pettersson und Findus" (2011) und mit "Loriots dramatische Werke" (2009) Jung und Alt begeisterte, erwählte wiederum die kecke, spielfreudige Susanne Rösch für die Titelrolle.

Vor den Augen der Zuschauer läuft ein kunstvolles Ensemblespiel ab. Pippi, Annika und Tommy sind abenteuerlustige Kinder, definiert durch individuell gestaltete Körpersprache. Wenn eine Episode erschöpft ist, kommt sofort eine neue, strukturiert durch Lieder, Musik, Geräusche.

Klatt inszeniert mit Schnelligkeit, aber nicht hastig. Er vertraut Humor und Tempo der Bühnenfassung von Stefan Schroeder (erschienen im Weitendorf-Verlag Hamburg) und fügt der Geschichte eigene Erfindungen seines Ausstatters Franz Gronemeyer hinzu. Wie das "fliegende" Bett - ein Eisenbett mit Propeller dran, das durch die Beine der drei Protagonisten über die Szene schwebt.

Alle Akteure arbeiten in vielen Fällen gestisch - mit großen Gebärden, mit Wiederholungen. So überbrücken sie die gewaltigen Dimensionen des Bergtheaters und nehmen zugleich durch Deutlichkeit und Eindeutigkeit die kleinen Zuschauer mit auf ihre große Abenteuerreise. Klatts und Gronemeyers Arbeit wirkt wie eine Inszenierung für das Off-Theater. Nicht akademisch, sondern spielerisch leicht und schwebend. Der "Kleine Onkel", Pippis Schimmel, wird von zwei Statisten gespielt, die als Vorder- und Hinterteil des Pferdes auch getrennt agieren können. Immer mit Augenzwinkern und mit großem Einverständnis mit dem Publikum.

Herrlich eine wortlose Szene, in der Pippi den Piraten Messer-Jocke austrickst - sackhüpfend, rennend, eierlaufend, rollerfahrend. Auch von der Kondition her verlangt der Regisseur seinen Darstellern alles ab. Witzig der Zweitauftritt von Arnold Hofheinz als verführerische Piraten-Wirtin - wie die legendäre Seeräuber-Jenny bei Brecht.

Natürlich wird Kapitän Langstrumpf befreit, natürlich können die Kinder die Piraten übertölpeln und mit seinem Schatz davonsegeln. Die teils sehr jungen Zuschauer lernten, wie Mut und Mutterwitz, List und Zutrauen auf die eigene Kraft das Böse außer Gefecht setzen und zur Umkehr bewegen können - so die Botschaft von Regie und Darstellern. Niemand weinte, niemand quengelte, niemand hatte Angst vor den sparsamen pyrotechnischen Effekten.

Im Gegenteil. Nach der Vorstellung wollte ein Großteil der Kinder selbst die Piratenhöhle und Pippis Domizil erkunden. Das war freilich nicht möglich. Schade!