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Veronika Fischer über ihr Leben als Musikerin in zwei Gesellschaftssystemen "Die Wessis waren frecher"

12.12.2013, 01:08

Millionen Platten hat Veronika Fischer in der DDR verkauft. 1981 ist die Sängerin trotzdem nach Westdeutschland gegangen. Warum? Darüber sprach Volksstimme-Redakteurin Franziska Ellrich mit Veronika Fischer. Am 20. Dezember ist die Musikerin zu Gast in Magdeburg.

Volksstimme: Frau Fischer, in diesem Jahr ist Ihre Biografie erschienen. Sie trägt den Titel "Das Lügenlied vom Glück". Hatten Sie Glück im Leben?

Veronika Fischer: Glück beinhaltet immer wieder auch Unglück. Es ist eine zweischneidige Sache. Und so war es auch in meinem Leben. Immer, wenn es gut war, stieß ich auch auf Widerstand.

Volksstimme: Sie sind in Thüringen geboren, in der DDR aufgewachsen. Wo leben Sie heute?

Fischer: In Berlin.

Volksstimme: Welcher Teil?

Fischer: Warum fragen mich das immer alle? In West-Berlin, seit 1981. Aber ob Ost oder West spielt zum Glück keine Rolle mehr. Man kann hin, wo man will.

Volksstimme: War es jemals oder ist es eine Option, zurück in die ostdeutsche Heimat zu ziehen?

Fischer: Eigentlich nicht. Als Musikerin wäre das ein Rückschritt gewesen. Als Profi kommt man nicht drumherum, in einer Metropole wie Berlin zu leben.

Volksstimme: Sie waren eine der erfolgreichsten Musikerinnen der DDR, haben Millionen Schallplatten verkauft. Trotzdem sind Sie 1981 mit Ihrem Mann und Ihrem Sohn in den Westen gegangen. Warum?

Fischer: Weil es eine Diktatur war und ich immer gegängelt wurde. Ich konnte nicht überall arbeiten, wo ich wollte. Ich hatte innerhalb der Grenzen alles erreicht, bin in sämtlichen Ostblockstaaten aufgetreten. Aber dann gab es Grenzen. Ich konnte mich nicht weiter ausprobieren, musste internationale Angebote ablehnen. Man war von anderen bestimmt, und ich wollte mich einfach nicht weiterhin der staatlichen Willkür unterwerfen.

Volksstimme: Haben Sie danach das ostdeutsche Publikum vermisst? Gab es Unterschiede?

Fischer: Nein. Ich war ein Exot im Westen. Frecher und leichter waren die Wessis. Im Osten waren die Menschen vorsichtiger - aber auch begeisterungsfähig.

Volksstimme: Und heute? Macht das immer noch einen Unterschied, ob Sie im Osten oder Westen Deutschlands auftreten?

Fischer: Nein, es ist überall toll. Aber natürlich ist das Publikum mit mir älter geworden und es wird nicht mehr so viel getanzt.

Volksstimme: 21 eigene Soloalben, mehr als 40 Jahre Bühnenerfahrung - jetzt Ihre eigene Biografie. Wie kommt man dazu sein Leben aufzuschreiben?

Fischer: Schon vor fünf Jahren hat mich das erste Mal ein Verlag angesprochen. Da hatte ich keine Lust. Aber als jetzt mein Lieblingskomponist gestorben ist, dachte ich: Nun musst Du es machen, bevor immer mehr Wegbegleiter sterben.

Volksstimme: Haben Sie alles selbst geschrieben?

Fischer: So gut wie, von 366 Seiten sind 320 von mir. Die kursiven Teile schrieb Manfred Maurenbrecher. Mein Co-Autor wollte eine stärkere Authentizität meinerseits und nicht so stark beeinflussen, hat aber überarbeitet. Im Nachhinein denke ich, dass das richtig war.

Volksstimme: Und hat man keine Angst, dass das vielleicht gar keiner lesen will?

Fischer: Nein. Ich bin davon ausgegangen, dass viele Menschen sich für diese deutsch-deutsche Musikgeschichte interessieren werden. Und genau das hat sich bewahrheitet. So viele haben das ja nicht erlebt, was mir passiert ist.

Volksstimme: Wenn man in der DDR gelebt hat und ausgereist ist, interessiert man sich dann umso mehr für Politik?

Fischer: Ich interessiere mich sehr viel mehr für Politik als früher. Ich war schließlich damit konfrontiert, wurde als Musikerin zum Politikum gemacht - ohne dass ich das wollte.

Volksstimme: Gehen Sie wählen?

Fischer: Natürlich, aber es ist nicht einfach.

Volksstimme: Sie sind jetzt 62 Jahre alt. Haben Sie noch große Karrierepläne? Oder kommt langsam der Gedanke auf, sich zur Ruhe zu setzen?

Fischer: Warum muss in Deutschland eigentlich immer das Alter da stehen? Das ist unhöflich, in Frankreich würde es keiner aufschreiben. Und das Wort Karriere ist für mich Quatsch. Was ist das? Ich mache schöne Musik und will die an die Menschen bringen. Als Musikerin hat man dazu eine andere Einstellung. Es ist ja nicht wie auf dem Bau, wo der Körper verschlissen wird. Vielleicht singe ich noch, bis ich 70 bin, aber ich will mich nicht darauf festlegen. So viele machen bewusst Abschiedstourneen, füllen die Hallen und kommen plötzlich nach zwei Jahren zurück.

Volksstimme: Was werden Sie machen, wenn Sie irgendwann nicht mehr auf Tour gehen?

Fischer: Hoffentlich mehr malen.

Volksstimme: Die Festtage stehen vor der Tür. Gibt es bei Ihnen Hausmusik?

Fischer: Ach, meine Kinder und Enkel sind dazu meist zu faul. Aber vielleicht versuche ich dieses Jahr wenigstens mal "O Tannenbaum" anzustimmen.

Am Freitag, dem 20. Dezember, wird Veronika Fischer mit ihrer Tour "Es ist ein Schnee gefallen" Halt in Magdeburg machen, um 20 Uhr geht es im AMO Kulturhaus los. Tickets gibt es in allen biber-ticket-Vorverkaufsstellen.