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DOK Leipzig Nischen für spannende Filme

Das Leipziger Dokumentarfilm-Festival hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich. Aber in diesem Jahr gibt es Grund, zu feiern.

Von Birgit Zimmermann 29.10.2017, 23:01

Leipzig (dpa) l Kein Geringerer als Pablo Picasso hat dem Leipziger Dokumentarfilm-Festival seinen Stempel aufgedrückt: Die Friedenstaube des spanischen Künstlers durfte ab 1962 das offizielle Emblem des Festivals sein. 2004 war es damit allerdings vorbei, das ideologisch aufgeladene Motiv wurde durch ein neutraleres Taubenbild ersetzt. Picasso und seine Friedenstaube stehen damit auch für die Brüche und Wendungen des Dokfilm-Festivals, das nach Amsterdam das zweitgrößte in Europa ist. In diesem Jahr feiert Dok Leipzig seine 60. Auflage (30. Oktober bis 5. November).

„Das Festival hat mindestens zwei Leben: Eines vor 1989 und eines danach. Und selbst innerhalb dieser Phasen hat es sich immer wieder gewandelt“, sagt der Historiker Andreas Kötzing (38). Zu DDR-Zeiten sei Leipzig ein Seismogramm für die Kulturpolitik des Arbeiter- und Bauernstaates gewesen.

1955 wurde das Festival als deutsch-deutsche Kulturfilmwoche gegründet. „Der Gedanke war, ein Podium zu schaffen für Filmemacher aus beiden deutschen Staaten“, erläutert Kötzing. „Dieser deutsch-deutsche Anspruch scheiterte jedoch daran, dass sich die Bundesrepublik und die DDR immer weiter auseinanderentwickelten.“ Nach zwei Auflagen war schon wieder Schluss, und es folgte eine dreijährige Pause.

1960 wurde es dann als internationales Festival wiederbelebt. „In der ersten Hälfte der 60er Jahre gab es erstaunliche Freiheiten. Rückblickend betrachtet waren das die goldenen Jahre des Festivals“, stellt Kötzing fest. 1965 brachte dann das 11. Plenum des ZK der SED eine Zäsur in der Kulturpolitik. Das Festival habe danach eine sukzessive Ideologisierung erlebt, plus eine intensive Stasi-Überwachung.

„Trotzdem gab es immer Nischen, wo man spannende Filme entdecken konnte. Die ‚Protokollfilme‘ machten nie den Reiz aus. Subtile Untertöne gesellschaftskritischer Art hat es immer gegeben, ganz rauszukriegen war das nie“, erzählt der Historiker. Leipzig sei immer eine Bühne für den politischen Dokumentarfilm gewesen, sagt auch der heutige Programmchef Ralph Eue (64).

Nach dem Mauerfall begannen harte Zeiten für das Festival: Sponsoren mussten gefunden werden, die Besucherzahlen gingen rapide nach unten; 1993/94 wurden noch gerade mal 5000 Zuschauer gezählt. Zum Vergleich: In den 60er Jahren kamen offiziell um die 65.000, heute sind es jährlich um 40.000.

Jetzt lebt Dok Leipzig sein zweites Leben. In diesem Jahr gibt es 113 Welt- und internationale Premieren. Direktorin Leena Pasanen (52), die aus Finnland stammt, schwärmt von der Stadt Leipzig, an der „etwas Spezielles“ sei. Die 1000-jährige Geschichte, die DDR-Vergangenheit, das sehr diskussionsfreudige, junge Publikum – das alles gebe dem Leipziger Festival eine einzigartige Atmosphäre.