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Ausstellung im Kulturhistorischen Museum Magdeburg zeigt historische Flugblätter Ehebruch, Trunksucht und Kriegswirren

Von Frank René Braune 23.03.2012, 03:19

Der Betrachter steht davor und genießt den Anblick: Filigranste Zeichnungen, liebevoll gestaltete Landschaften und Personen, Sittengemälde aus vergangenen Jahrhunderten. Eine neue Ausstellung im Kulturhistorischen Museum Magdeburg zeigt historische Flugblätter.

Magdeburg l Zu sehen sind in der Exposition "Illustrierte Flugblätter der Frühen Neuzeit" 53 solche Publikationen aus dem 16. und 17. Jahrhundert. Entstanden ist sie in einer Kooperation des Kulturhistorischen Museums mit dem Institut für Germanistik der Otto-von-Guericke-Universität, gefördert wurde sie von der Stiftung "Kloster Unser Lieben Frauen". Sie vermittelt auch dem uneingeweihten Besucher bemerkenswerte Einblicke in längst vergangene Zeiten, deren gesellschaftlich relevante Themen nicht selten Parallelen zur Gegenwart bieten und den aufmerksamen Betrachten immer wieder schmunzeln lassen.

So sind beispielsweise verschiedene Flugblätter der Sexualität gewidmet, der gleich mehrfach in leeren Weinfässern nachgegangen wird. In einem solchen wird ein Greis mit einer erheblich jüngeren Gespielin von zwei Männern erwischt. In satirischen Texten wird dem Alten nahegelegt, derlei Tun doch künftig zu unterlassen, während sich die junge Frau vier Zeilen später enttäuscht über die Leistung ihres Kurzzeitpartners äußert.

Ähnlich ergeht es auf einem anderen Flugblatt der Frau eines Gastwirtes, die von ihrem Gatten mit einem Landsknecht im Weinkeller erwischt wird. Auch hier hält sich die Freude über die Entdeckung bei allen Beteiligten in Grenzen, allerdings bemühen sich die Verfasser des Flugblattes erfolgreich, die Stimmungen der "handelnden Personen" in metaphorischen Texten zum Ausdruck zu bingen. Wer bei deren Entschlüsselung und Deutung Schwierigkeiten hat, sollte unbedingt zum ausgelegten Ausstellungskatalog greifen, in dem Herausgeber Michael Schilling sehr anschaulich und nachvollziehbar, das Geschehen auf den einzelnen Flugblättern erklärt und deren Texte "vereinfacht".

Von derlei höchst menschlichen Erlebnissen abgesehen, bietet die Ausstellung weitere Beispiele dafür, wie sich menschliche Schwächen über die Jahrhunderte erhalten haben. Mehrfach wird die Trunksucht thematisiert, beispielsweise mit Verhaltensmaßregeln für den Umgang mit Alkohol für einen Wirt und dessen Gäste. Gleiches gilt für Flugblätter, die vor der Macht des Geldes warnen, die das Kreditwesen satirisch überhöht darstellen, oder Habgier, Spekulationsgeschäfte und Wucher anprangern.

Ideales Forum für aktuelle Stellungnahmen

Inhalt der Ausstellung sind aber nicht nur allzu menschliche Belange. In vielen Flugblättern wird deutlich, was die Informationstafeln der Exposition über deren Bedeutung in ihrer Zeit verraten - dass sie sich in Bezug zur unmittelbaren Aktualität mit politischen und militärischen Ereignissen beschäftigt haben, dass Naturkatastrophen und Himmelserscheinungen ebenso berücksichtigt wurden wie moralisches Fehlverhalten und übertriebenes Modegebaren.

Zahlreiche Karten verdeutlichen politische Veränderungen und Sachverhalte und beschäftigen sich unter anderem mit der Belagerung und Zerstörung Magdeburgs im Dreißigjährigen Krieg.

Welche Bedeutung Flugblätter für ihre Zeit hatten, erklärt Museumsdirektor Matthias Puhle im Vorwort des Kataloges: "Die Erfindung des Letterndruckes eröffnete die Möglichkeit, zeitnah eigene Stellungnahmen zu verbreiten und aktuelle Ereignisse zu erörtern. Flugblätter bildeten hierfür das ideale Forum."

Eine der Informationstafeln erklärt dem Besucher, wie sie verbreitet wurden: in Buchhandlungen, vor Kirchen, auf Marktplätzen, in Gaststuben und durch reisende Händler. Nicht ganz uninteressant ist vielleicht noch folgende Information: Durch aussagekräftige Bilder und lautes Ausrufen richteten sich die Flugblätter auch an leseunkundige Käufer.

Unabhängig davon, ob man solchen Editionen im Besonderen oder der Historie im Allgemeinen ein spezielles Interesse entgegenbringt - die "Illustrierten Flugblätter der Frühen Neuzeit" sind für neugierige Besucher in vielerlei Hinsicht Bereicherung und Vergnügen in einem.