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Kunstmuseum: Ungewöhnliche Zusammenarbeit für ein ungewöhnliches Panorama Ein begehbarer Stadtplan von Magdeburg

Von Klaus-Peter Voigt 26.10.2011, 04:20

"Benutzeroberfläche STADT" heißt die neue Exposition im Kunstmuseum Kloster Unser Lieben Frauen. Bis zum 13. November kann eine Collage, geschaffen von elf jungen Leuten, begangen werden.

Magdeburg l Beim ersten flüchtigen Blick erschließt sich ein ungewöhnliches Stadtpanorama. Dort der Hauptbahnhof, dann ein Kanu, eine langer Drachen - das könnte symbolisch die Elbe sein, der Plättbolzen vom Hasselbachplatz ... Auf ebener Erde ist in nur knapp 14 Tagen eine Hommage an Magdeburg entstanden.

Keine klassischen Künstler mit möglicherweise akademischer Ausbildung waren am Werk, das erst wenige Stunden vor der Eröffnung der Schau heute Abend um 19 Uhr wirklich fertig wurde. Manche Farbfläche könnten deshalb bei der Vernissage noch feucht sein. Das Betreten des Riesenbildes ist erwünscht und erlaubt, möglichst nur in Strümpfen oder mit ein paar Überziehern aus Folie.

Elf junge Leute mit diversen Medien

Die Macher haben erstmals in dieser Gruppe gearbeitet. Ansonsten üben sie "einen ganz normalen Beruf" aus, sind Architekt, Beleuchter oder Webdesigner, versichert Kurator Uwe Gellner. Sie rechnen sich der Streetart-Szene zu oder stammen aus ihr. Dessen Macher nutzen diverse Medien, sie arbeiten mit Markerstiften, Pinsel und Malerrollen oder Sprühdosen. Wände werden bemalt und beklebt, auch Stromkästen, Laternen, Verkehrsschilder, der Untergrund spielt keine Rolle. "Ihnen ist gemein, dass sie die Stadt nicht so hinnehmen, wie sie sich im Augenblick präsentiert und sind trotzdem eins mit ihr, hegen Sympathien für den urbanen Raum", sagt Gellner.

Solchen Akteuren will das Kunstmuseum Kloster Unser Lieben Frauen eine Plattform bieten. Es nutzt die Chancen und Hemmnisse der gegenwärtigen Sanierungsarbeiten, die noch bis Februar 2012 dauern, für ein Projekt in der 800 Jahre alten Oberen Tonne. Die wäre ansonsten leer und wird für kurze Zeit belebt. Eine gespiegelte Stadt findet einen idealen Raum, individuelle Interpretationen von Menschen, die dort geboren sind oder schon lange in ihr wohnen. Es sind also auch ganz persönliche Sichten, die eine lebendige Topografie möglich machen. Knapp zwei Wochen existiert dieses Magdeburg, das Schicksal dann ist ungewiss, die völlige Zerstörung scheint ebenso möglich wie die Bewahrung in Einzelteilen.

Individualität im Kontext mit anderen Sichtweisen

Gellner zeigt sich zufrieden, dass das Experiment gelungen ist, Menschen für diese gemeinsame Arbeit zusammenzubringen, die ihre Individualität nicht aufgaben, sondern sie im Kontext mit anderen Sichtweisen auslebten. Das Panorama, bei dem Weiß, Grau und Rote Farben dominieren, schaffte den Spagat im historischen Gewölbe, ohne die Wände zu berühren. Sie waren tabu.

Steven Krüger gehört zu den Machern des riesigen Kunstwerks. Der Beleuchter am Theater kam 1993 zur Sprayerszene, war subversiv unterwegs, um sich zu verwirklichen. Bald entdeckte er den Reiz der Leinwand mit ihren zusätzlichen Möglichkeiten, bei denen die Dose nach wie vor eines der wichtigsten Umsetzungsinstrumente ist. Großformatige Arbeiten entstehen mit abstrakten Flächen, die durch ihre Farbwirkungen leben, Räume als Auftragswerk schmücken.

Nun im Kunstmuseum griff Krüger zu Pinsel, Marker und Farbroller, schuf seine Stadtblicke. Diese gehen eine Verbindung mit den gestalteten Flächen und Objekten der anderen zehn Akteure ein. Miniaturplattenbauten finden sich, eine Abbildung der Hubbrücke, ein ICE, der allzu selten in der Stadt hält. Ein echtes Kanu wurde "eingebaut", bemalte Glasflächen sichern den dreidimensionalen Eindruck. Ein riesiger Schriftzug in Graffitimanier vervollständigt dieses Ambiente. Goldfarben will es an die Wurzeln der Streetart aufmerksam machen, ihr gleichsam ein Denkmal setzen.