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"Im Westen nichts Neues" von Erich Maria Remarque erscheint als Sonderausgabe Ein Jahrhundertroman im neuen Licht

04.12.2013, 01:08

"Im Westen nichts Neues" ist der bedeutendste deutsche Roman zum Ersten Weltkrieg. Zum 100. Jahrestag des Kriegsbeginns erscheint eine Sonderausgabe des Bestsellers, den die Nazis verbrannten. Schon zur Filmpremiere im Dezember 1930 gab es Massenproteste.

Berlin (dpa) l Der Film war kaum angelaufen, da wurden plötzlich Stinkbomben gezündet und weiße Mäuse flitzten durch den Kinosaal. Anfang Dezember 1930 lief die Verfilmung von "Im Westen nichts Neues" in Deutschland an: im Kino Mozartsaal am Berliner Nollendorfplatz. Die Nazis organisieren tagelange Massenproteste, sie hassten das oscarprämierte Werk über den Irrsinn des Krieges.

Wenig später verbot die Berliner Oberprüfstelle den Streifen mit der Begründung, "Im Westen nichts Neues" sei kein Film des Krieges, sondern ein Film der deutschen Niederlage. Von weitesten Volkskreisen werde das Werk als "Verhöhnung" empfunden. Nach der Machtergreifung Adolf Hitlers wurde auch das Buch "Im Westen nichts Neues" verboten und war eines der ersten Werke, das auf dem NS-Scheiterhaufen landete.

Zu diesem Zeitpunkt hatte sich "Im Westen nichts Neues" schon millionenfach verkauft. Es ist die Geschichte des neunzehnjährigen Paul Bäumer, der 1914 als ahnungsloser Kriegsfreiwilliger von der Schulbank an die Front kommt.

Zum 100. Jahrestag des Kriegsbeginns erscheint beim Verlag Kiepenheuer Witsch nun eine Sonderausgabe des Buches, mit Erläuterungen zur Entstehungs- und Rezeptionsgeschichte. Der Roman von Erich Maria Remarque ist einer der ganz großen Romane über den Krieg. Weltweit werde er als das "das Kriegstagebuch des 20. Jahrhunderts" gewertet und bis heute unter dieser Lesart verbreitet und gelehrt, erklärt Thomas F. Schneider, Leiter des Erich-Maria-Remarque-Friedenszentrums in Osnabrück, im Nachwort.

Die Massenproteste gegen "Im Westen nichts Neues" hatte damals Joseph Goebbels organisiert, 1930 NSDAP-Gauleiter in Berlin. "Der Roman wurde ja von links wie rechts gleichermaßen verleumdet und gehasst", sagt der Literaturwissenschaftler Erhard Schütz. Von links, weil er keine Anklage des angeblich für den Krieg verantwortlichen Imperialismus und Kapitalismus war. Von rechts, weil er die Bilder des Grauens wachrief, aber nur das dumpfe Durchhalten, nicht den für die Rechten vermeintlich höheren Sinn des Krieges zeigte. "Er blieb für sie im Horizont von Schlamm und Blut, zog mithin alle Ideale in den Schmutz", sagt Schütz.

Remarque wurde 1898 in Osnabrück als Erich Paul Remark geboren. Selbst im Krieg als junger Mann an der Westfront und schwer verwundet,schlug sich Remarque Anfang der 1920er Jahre zunächst mit Gelegenheitsjobs durch, erst als Werbetexter und dann als Redakteur beim Berliner "Sport im Bild". Durch seine literarische Abrechnung mit dem Krieg erlangte Remarque 1929 schlagartig Weltruhm. Wegen des Erfolgs soll er zeit seines Lebens an Depressionen gelitten haben. Vom 10. November bis zum 9. Dezember 1928 war "Im Westen nichts Neues" zunächst in Fortsetzungen in der Berliner "Vossischen Zeitung" erschienen. Dieser Vorabdruck unterschied sich inhaltlich erheblich von der Buchfassung, die 1929 im Berliner Ullstein-Verlag erschien.

So strich das Lektorat der "Vossischen Zeitung" alle Passagen, die Verwundungen und das Grauen des Krieges beschreiben, wie es im Anhang der Sonderausgabe heißt. "Offensichtlich wollte man der Leserschaft der Zeitung solche Darstellungen nicht als Frühstückslektüre zumuten", heißt es in den Anmerkungen.

Auch der Roman erschien in abgeschwächter Form, darauf drängte das Lektorat des bürgerlichen Ullstein-Verlags. Aber "Im Westen nichts Neues" blieb eine eindringliche Schilderung der Schrecken des Krieges. Paul Bäumers Kameraden sterben wie die Fliegen, am Ende auch er selbst. Der Heeresbericht vermeldet, im Westen sei nichts Neues zu vermelden. Der Tod des einzelnen Menschen ist belanglos geworden.