In Halberstadt hatte das Ein-Mann-Stück "Kontrabass" von Patrick Süskind mit Benedikt Florian Schörnig Premiere Ein schüchterner Mann lechzt förmlich nach sozialem Kontakt
Halberstadt l In der Halberstädter Liebfrauenkirche hatte im einstigen Bischofssitz im Petershof am Sonnabend Patrick Süskinds Monodrama "Der Kontrabass" seine Premiere.
"Ich wollte nur einleitend feststellen, dass der Kontrabass das wichtigste Orchester- instrument ist." Bevor der Schauspieler Benedikt Florian Schörnig seinen großen Monolog an die versammelte Zuschauergemeinde richtet, verteilt er Kirschen. Mit großer Freundlichkeit. Den Mann lechzt es nach sozialem Kontakt. Seine Behausung ist ein ganz kleiner Wohnwagen, davor eine Wäscheleine mit billigen Drucktextilien, eine Tischdecke, ein Handtuch, eine Babydecke. Dazwischen ein blütenweißes Frackhemd. Der Ghettoblaster vor dieser Einsiedelei spielt Mozart. "Sagt, holde Frauen ..."
Der Mann ist Kontrabassist im Staatstheater. Verbeamtet. Klingt imposant. Doch der Verdienst ist miserabel. Er ist 36 Jahre alt und hat seit zwei Jahren keine Frau mehr im Arm gehalten. "Der Geist des Kontrabasses schwebte über uns wie eine Fermate", klagt er über misslungene Beziehungen sein Leid.
Im Alltag eine graue Maus - das Kostüm und die Ausstattung von Bianca Fladerer erzählen die traurig-komische Geschichte auf eigene Weise mit. Auf dem Wohnwagendach rattert eine kleine Eisenbahn rund um einen Gartenzwerg. Der Mann spielt gern und hat keinen besonders guten Geschmack. Ein großes Kind ...
Er baut sich und seine Liebe zum Instrument groß auf. 8500 Euro sollte es eigentlich kosten. Er hat\'s für 3200 Euro bekommen. Ein Schnäppchen.
Der Mann räsoniert über Brahms, Ditters von Dittersdorf, Sperger und Wagner. Der hielt die Musik für ein Weib - und genau das ist des Problem des Kontrabassisten: die Frauen. Wie gern würde er der gefeierten Sängerin Sarah, 20 Jahre jung, seine Liebe gestehen. Doch wie? Die Gaststars liegen ihr zu Füßen und laden sie in Nobelrestaurants ein. Was kann ein armes Schwein wie er da machen? Er sitzt in der Orchesterhierarchie ganz unten. Am 3. Pult.
Prost! Das Ploppen von Bierflaschen strukturiert zunehmend das Stück. Am Schluss ist der Bierkasten so gut wie leer. Die Regisseurin Rosmarie Vogtenhuber blättert Schicht um Schicht die Persönlichkeitsstruktur ihres einsamen Helden auf. Sie fand Bilder und Situationen, die seine resignierte Melancholie zeigen. Seine Ohnmacht. Seine verwundete Seele.
Am Schluss wird er mutig. Er streift zu den Klängen des Forellenquintetts dem Kontrabass eine Hülle wie ein Frauengewand über. Seinen Frack legt er wie eine Rüstung an. Er wird in die Oper gehen und seine Liebe zu Sarah laut herausschreien. Seine letzte Chance - und ein Skandal! "Sie können\'s ja in der Zeitung lesen!"
Das war ein ganz großer Abend für Benedikt Florian Schörnig. Er ist nicht nur ein Komiker, sondern auch ein Charakterdarsteller von hohen Graden.
Zudem lieferte er eine großartige Gedächtnisleistung - 90 Minuten Text, vermutlich ohne Souffleuse.