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Weimar-Reisende können ab Ende August das Wirken des Dichterfürsten neu erleben "Faust" als Reiseführer durch Goethes Leben

Von Ute Semkat 10.08.2012, 03:15

Am 263. Geburtstag des Dichterfürsten wird im Goethe-Nationalmuseum Weimar eine neue Dauerausstellung eröffnet.

Weimar l "Goethe lässt renovieren." Die Hinweistafel vor dem Goethe-Nationalmuseum am Weimarer Frauenplan erheitert das dänische Touristenpaar, das zuvor die Speisekarte beim "Italiener" gegenüber studiert hat. Dort gibt es außer Pasta und Scampi auch Rinderroulade mit Thüringer Klößen.

Von den Renovierungsarbeiten beim Dichter ist nur der Museumsanbau betroffen, während sein Wohnhaus samt des sommerlich blühenden Hausgartens, in dem Frau Christiane sogar Spargel anbaute, ohne Behinderungen besichtigt werden kann. Aber nebenan wird eine neue Dauerausstellung vorbereitet, die an Goethes 263. Geburtstag am 28. August eröffnet werden soll.

Anders als ihre 2008 - danach gab es einige Wechselausstellungen - geschlossene Vorgängerin zum Thema Weimarer Klassik, will sich die neue Exposition ausschließlich Johann Wolfgang von Goethe widmen. Für seine Zeitgenossen und die Weimarer Jahre um 1800 habe die Klassik Stiftung Weimar inzwischen mit der neuen Anna-Amalia-Bibliothek, dem Schillerhaus oder dem gerade eröffneten Goethe-Schiller-Archiv genügend Ausstellungsstätten erschließen können, erklärt Bettina Werche, Leiterin des Goethe-Museums. Mehr als 20 Häuser verwaltet die zweitgrößte deutsche Kulturstiftung, an einem Zentralen Museumsdepot für die bisher verstreut gelagerten Kunstschätze wird gebaut.

Das Goethe-Nationalmuseum entstand 1885, für die Bewahrung des umfangreichen Dichternachlasses wurden 1913 und 1935 zwei an das Wohnhaus am Frauenplan angrenzende Grundstücke zugekauft. Zu den etwa 250 Exponaten in der neuen Dauerausstellung mit dem Titel "Lebensfluten - Tatensturm" gehören Alltagsgegenstände, Briefe, Tagebücher ebenso wie Kunstobjekte aus Goethes Sammlungen. Einige Exponate sind bisher noch nie gezeigt worden. Zu den schönsten zählt für die Museumsleiterin ein Reisemantel Goethes, "ein staubgraues Cape im Pelerinen-Chick".

Das Ausstellungskonzept "zerlegt" das Wirken des Dichters, Malers, Naturforschers, Staatsmanns und schließlich des Menschen Goethe in sieben Sektionen: Genie, Gewalt, Welt, Kunst, Natur, Erinnerung, Liebe" zählt Werche auf: "Zu diesen Begriffen hat jeder Besucher sofort persönliche Assoziationen. Und damit gehen wir dann in Goethes Zeit." Ein Federschmuck zum Beispiel steht für die weltweiten Forschungsreisen seines Zeitalters. Im Raum zum Thema Gewalt prangt eine Hofuniform mit napoleonischen und russischen Orden. Werche: "Die Uniform steht für Goethes politisches Amt, also für Staatsgewalt."

Und die Sektion Liebe? Dort werden Gedichte und antike Erotika aus seiner Sammlung aufgeblättert. Porträts zeigen jene Frauen in Goethes Leben, die für seine Dichtung wichtig waren.

Dauerausstellung für vertiefende Blickwinkel

Die Klammer für die Sektionen soll der Besucher auf der Treppengalerie des Museums finden, die durch die Ausstellungsräume buchstäblich am "Faust" entlangführt. "Der Faust hat sich durch fast das ganze Leben Goethes gezogen", verdeutlicht Werche. Die Galerie soll mit einer Installation aus Zitaten bespielt werden: Die Besucher können an einem Computer einzelne Worte aus Goethes Hauptwerk wählen, "Pudel" zum Beispiel. Bei der Eingabe erscheint an der Treppenwand die komplette Buchstelle. "Wir wollen damit Spaß wecken, den "Faust" in die Hand zu nehmen und darin zu blättern. Wir geben keine Interpretation, das kann dann die Schule machen."

Fast täglich kommen Schulklassen aus allen Teilen Deutschlands zum Frauenplan. Sie gehören zur wachsenden Zahl der Weimar-Reisenden, die den Dichter gerade erst für sich entdecken - wogegen die meist betagten Goethe-Verehrer unter den Besuchern weniger werden. Aber auch diesen profunden Kennern will die Dauerausstellung neue und vertiefende Blickwinkel ermöglichen.

Die baulichen Veränderungen im Eingangsbereich des Museums sind mittlerweile abgeschlossen. Statt der engen Pforte lässt wieder das große Hoftor die Besucher ein. Die Baukosten lagen laut Stiftung bei 1,8 Millionen Euro, weitere 1,4 Millionen kostet die neue Ausstellung. Wer sie besuchen will, kauft - anders als bisher - ein gemeinsames Ticket für Nationalmuseum und Dichterwohnhaus zu 10,50 Euro.

www.klassik-stiftung.de und www.goethegeburtstag.de