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Museum Unterlinden Frischekur für den Isenheimer Altar

Wenn Kunst in die Jahre kommt, schlägt die Stunde der Restauratoren. Beim Isenheimer Altar in Colmar ist es nun auch soweit. Die Farben seiner viel gerühmten Gemälde wirken heute düster und gelblich. Um sie wieder zum Leuchten zu bringen, ist eine heikle Mission nötig.

Von Violetta Kuhn, dpa 05.09.2018, 12:42
Der Isenheimer Altar in Colmar wird für 1,2 Millionen Euro restauriert. Foto: Violetta Kuhn
Der Isenheimer Altar in Colmar wird für 1,2 Millionen Euro restauriert. Foto: Violetta Kuhn dpa

Colmar (dpa) - Am Himmel über dem Heiligen Antonius sieht man schon, wohin die Reise gehen könnte: Dort, wo vor ein paar Jahren Restauratorinnen diese Bildtafel des berühmten Isenheimer Altars bearbeitet haben, strahlt der Himmel in einem leuchtenden Blau. Direkt daneben wirkt er noch trüb, gelblich, dreckig.

Ähnlich eindrucksvolle Veränderungen erhofft man sich im Museum Unterlinden im elsässischen Colmar von der kommenden Restaurierungskampagne, die Mitte September beginnen soll. Innerhalb von drei bis vier Jahren soll der Wandelaltar, den Matthias Grünewald von 1512 bis 1516 geschaffen hat, einer Frischekur unterzogen werden: von den Gemälden über die Rahmen bis hin zu den Skulpturen von Niklaus von Hagenau. Kosten: 1,2 Millionen Euro.

Doch wie bringt man überhaupt Gemälde wieder zum Strahlen - und das, ohne die jahrhundertealte Kunst zu verfälschen? Ein Schlüssel im Fall des Isenheimer Altars sei der Firnis, eine Art Schutzanstrich über der Malschicht, erklärt Museumsleiterin Pantxika de Paepe. "Dieses Harz ist ein natürliches Material. Es verändert sich mit der Zeit", erklärt die Frau mit den kurzen braunen Haaren. "Am Anfang ist es klar, dann wird es gelber und immer undurchsichtiger."

Ein Ziel der Restaurierung ist es nun, diese Firnisschicht bis auf einen hauchdünnen Rest abzutragen, um die darunterliegende Malschicht wieder besser sichtbar zu machen.

Das ist eine recht heikle Mission. In den vergangenen Jahren wurden daher umfangreiche Studien durchgeführt. Die Bilder wurden geröntgt und mit 3D-Mikroskopen untersucht, Pigmentproben wurden entnommen - all das, um genau herauszufinden, welche Techniken zum Einsatz kommen sollten, um die Originalfarbe aus dem 16. Jahrhundert nicht zu beschädigen.

"Die Studien helfen natürlich, das Ganze gelassener anzugehen", sagt Cornélia Cione, die mit neun anderen Restauratoren an den elf Bildtafeln des Altars arbeiten wird. "Aber bei einem so wichtigen Kunstwerk ist ein gewisser Respekt immer vorhanden." Sie zählt die verschiedenen Etappen auf: Fixierung von sich lösenden Stellen in der Malschicht, sanfte Reinigung der Oberfläche mit einer wässrigen Lösung und einer Art Wattestäbchen.

Erst dann folge gegebenenfalls das Abtragen des Firnis, der meist ohnehin nicht mehr original sei. "Heute hat man dazu ganz neue Lösungsmittel, die wirklich nur oberflächlich wirken und die die Pigmente nicht lösen", sagt die 45-Jährige.

Die Operation an dem Meisterwerk von Grünewald findet zum großen Teil im Museum und unter den Augen der Besucher statt. Sie wird eng begleitet von einem Expertenkomitee, das in Zweifelsfällen über die nächsten Schritte entscheidet.

Dieses Gremium und die ausführlichen Vorab-Studien dürften eine Reaktion sein auf die harsche Kritik an der letzten Restaurierungsaktion. Die damalige Kampagne wurde 2011 nach einem Aufschrei in der Fachpresse abgebrochen. Zu schnell, zu wenig wissenschaftlich fundiert und zu wenig kommuniziert - so lassen sich die Vorwürfe zusammenfassen. Schaden genommen habe das Meisterwerk damals aber nicht, heißt es nun vonseiten des Museums.

Generell habe sich die Herangehensweise von Restauratoren an alte Kunst in den vergangenen Jahrzehnten verändert, sagt Patricia Brozio vom Verband der Restauratoren. "Noch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wollte man teils den ursprünglichen Zustand des Objekts wiederherstellen und hat dafür Objektgeschichte geopfert." Heute dagegen entscheide man sich häufig, Gebrauchsspuren zu erhalten, weil sie etwas über die Vergangenheit des Werks preisgäben, sagt Brozio.

Es gelte die Prämisse: "erst konservieren, dann restaurieren und so wenig wie möglich eingreifen". Alle Eingriffe müssten rückgängig gemacht werden können. Und gebe es Zweifel daran, was das Beste sei für ein Objekt, verzichte man heute eher auf einen Eingriff und überlasse die Entscheidung künftigen Generationen. Das Wissen über Materialien und Techniken wachse immer weiter.

Für Restauratorin Cione ist die Arbeit an alter Kunst eine erfüllende Aufgabe: "Es ist ein schönes Gefühl, dazu beizutragen, dass Kunstwerke weiterleben und wieder aufblühen", sagt sie. "Alte Details tauchen wieder auf, man lernt die Technik des Malers kennen. Das ist bewegend."

Museum Unterlinden