Uraufführung des Nordharzer Städtebundtheaters auf der Bühne des Bergtheaters Thale "Harz-Saga" verkündet nichts Authentisches
Irgendwie muss im fernen Wien ein Autor einmal etwas von einem Herzog namens Heinrich der Löwe gehört haben. Aber musste er darüber gleich ein Stück schreiben, noch dazu ein schlechtes? Am Harzer Bergtheater hatte es am Freitag seine Uraufführung.
Thale l "Harz-Saga" heißt das Opus des Deutsch-Österreichers Jorghi Poll, Jahrgang 1978. Er nennt es "Schauspiel-Revue zwischen Monty Python und Tradition". Bescheidener gehts nicht. Die "Saga", bei der außer Rang und Namen der Hauptperson nichts, aber auch gar nichts Authentisches verkündet wird, redete er dem Nordharzer Städtebundtheater als "Stück für die Region und darüber hinaus" ein.
Dieser Heinrich der Welfe also, Herzog von Sachsen und Bayern (Jörg Vogel), verlässt seine Burg, um die Probleme Europas zu lösen. Der Kontinent ist zerrüttet, Frieden und Wohlstand sind rar.
Mit seinem burschikos-liebreizenden Knappen Widekind (Susanne Rösch) und seiner nervtötenden Gattin Mathilde (Illi Oehlmann) begibt sich der Hasenfuß auf Abenteuertour durch den Harz. Er trifft auf den Bürgermeister von Quedlinburg, den ein ausbleibender Forellen-Regen grämt, und auf einen keulenbewaffneten wilden Mann, den Räuber Albärt den Braunbärigen. Bischof Ulrich von Halberstadt will ihm seine Goldtaler mit Hilfe einiger Muselmanen abluchsen, und der Lindwurm Scholdenkröhs würde ihn gern fressen. Die sächselnde Hexe Watelind verkauft ihm ein Pülverchen, um den im Kyffhäuser schlafenden Kaiser Barbarossa zu vergiften, und zum Schluss kommt auch noch der Teufel mit der Forderung, all die überaus freundlichen und friedfertigen Menschen im Harz auf die Seite Beelzebubs zu ziehen. Markus Manig in all diesen Rollen war schauspielerisch ungeheuer wandlungsfähig und von großer sprachlicher Variabilität.
Das ändert aber nichts daran, dass die Handlung schlicht unsinnig ist. Schon die Ankündigung Polls verstehe, wer will. Seine "Texte spannen den Bogen zwischen malerischen Imaginationsräumen und gesellschaftskritischem Realismus". Hä? Wem kommt so etwas über die Lippen? Das wäre freilich nicht schlimm, wäre es richtig hochgedrehter Nonsens. Aber weder Witz noch Ulk noch Comedy oder gar Komödie - das nervte über das zulässige Maß. Pointen? Kaum. Wer kann bei Komik wie "Der frühe Löwe frisst den Wurm" schon lachen?
Und wie die Vorlage dieser angemaßten Revue (mit vier Schauspielern im Riesenareal des Bergtheaters mit seinen 1350 überwiegend leeren Plätzen!), so die Ausstattung (Brigitte Silvia Maria Schima) und Regie (Robert Koukal, Jahrgang 1979), auch aus Wien. Da Mathilde, die keifende Ehegattin Herzog Heinrichs, ausgerechnet in einer auf ein Wägelchen montierten Zinkbadewanne geschlagene 65 Minuten bis zur Pause auf der Gebirgstour mitgeführt werden muss, engt das den "Harz" mächtig ein. Links Treppen, rechts Felsen und steile Aufstiege - da bewegte man sich eben in engstem Kreis! Und arrangiert die Nichtigkeiten des Textes.
Szenenapplaus für Folklore-Gruppe "Harzer Roller"
In der Pause konnte Mathilde samt drittem künstlichen Bein ihr Bassin endlich verlassen. Die Truppe eroberte endlich auch weitere Spielflächen. Aber permanent schrien sich die Akteure an. Niemals leise Töne, Zaudern, Gefühl, Bedenken. Immer volle Kanne. Am gefordertsten war die Nebelmaschine. Es räucherte ausdauernd - vor der Drachenhöhle, vor Barbarossas Thronsaal, in der Versenkung.
Wer richtig auf der Bühne lebte, waren die 21 Mitglieder der "Harzer Roller" aus Harlingerode. Dramaturg Sebastian Fust hatte eine spielfreudige Folklore-Truppe verpflichtet, die gut bei Stimme war. Nach fast jedem ihrer kommentierenden Jodellieder und Peitschenknaller gab es Szenenapplaus. Nur sie bekamen ihn.
Der Maßstab für eine wirkungsvolle Geschichtskomödie haben 2011 dieselben Schauspieler gesetzt, als sie das Clownsspiel "Die deutsche Geschichte an einem Abend" von Robert Löhr in Halberstadt vorstellten. Das war wirklich eine großartige Historien-Revue.
Weitere Vorstellungen am 6. und 8. Juli sowie am 10. August