Russlandkritiker Ukraine-Unterstützer Karl Schlögel erhält den Friedenspreis
Der Osteuropa-Historiker warnte früh vor Putin und kämpft für die militärische Unterstützung der Ukraine. Bei der Frankfurter Buchmesse wird er mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels geehrt.

Frankfurt/Main - Er ist ein Kritiker Putins und erhebt seine Stimme für eine souveräne Ukraine: Der Historiker Karl Schlögel (77) erhält den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Als einer der Ersten habe der Osteuropa-Kenner vor der aggressiven Expansionspolitik des russischen Präsidenten Wladimir Putin gewarnt, so die Jury: „Seine Mahnung an uns: Ohne eine freie Ukraine kann es keinen Frieden in Europa geben.“
„Wenn du den Frieden willst, stelle dich ein auf den Krieg“
Auch die Bekanntgabe der Auszeichnung nutzte Schlögel, der seit Jahrzehnten über Russland und Osteuropa schreibt, für einen Appell zur militärischen Hilfe für Kiew. Der Historiker rief den Westen zur weiteren Unterstützung der Ukraine auf. Es gebe den Spruch: „Wenn du den Frieden willst, stelle dich ein auf den Krieg“, sagte Schlögel der Deutschen Presse-Agentur. Verteidigung sei das beste Mittel, sich gegen die Aggression und Ausweitung eines Krieges zur Wehr zu setzen. „Deswegen ist die Unterstützung der Ukraine auch der beste Weg, um den Frieden in Europa zu sichern.“
Die Auszeichnung ist mit 25.000 Euro dotiert. Sie wird seit 1950 vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels vergeben, der Berufsorganisation der Verlage und Buchhandlungen. Die feierliche Übergabe findet traditionell zum Abschluss der Frankfurter Buchmesse in der Paulskirche statt - in diesem Jahr am 19. Oktober.
Jahrzehntelange Reisen gen Osten
Karl Schlögel wurde 1948 in Hawangen im Allgäu geboren. Er lebt in Berlin, wo er einst osteuropäische Geschichte, Philosophie, Soziologie und Slawistik studierte. 1966 reiste er erstmals in die Sowjetunion, 1968 erlebte er den Prager Frühling persönlich, Aufenthalte in Moskau und Leningrad in den 80er Jahren prägten seine Forschung. 2014 reiste er nach der Besetzung der Krim in die Ukraine.
Der Historiker war in Konstanz und Frankfurt (Oder) Professor. Der Friedenspreis sei „eine überraschende und große Ehrung“, sagte er. Er sei sehr dankbar und sehe darin auch eine Würdigung seiner Arbeit zu den Beziehungen und der Analyse des östlichen Europas.
Mit dem Bundespräsidenten im Gespräch
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier gratulierte Schlögel, mit dem er nach eigenen Worten „seit vielen Jahren in intensivem Gespräch verbunden“ ist: „Mein Glückwunsch gilt einem der profiliertesten Historiker unseres Landes, der in Verbindung von Geschichtsschreibung und zeitkritischer Diagnose uns mit Anschaulichkeit, erzählerischer Kraft und der Bereitschaft, scheinbare Gewissheiten zu hinterfragen, immer wieder beeindruckt hat.“
Auch Kulturstaatsminister Wolfram Weimer gratulierte: Schlögels Stimme mahne zu „Wachsamkeit gegenüber Geschichtsvergessenheit und imperialem Denken“. „Mit analytischer Schärfe, literarischer Kraft und historischer Tiefe hat er den Blick auf Osteuropa geöffnet – lange bevor politische Debatten es verlangten.“
„Anschauliche, lebendige Geschichtsschreibung“
Mit Werken wie „Terror und Traum“ (2008) oder „Das sowjetische Jahrhundert“ (2017) habe er „Maßstäbe für eine anschauliche, lebendige Geschichtsschreibung gesetzt“, sagte Börsenvereinsvorsteherin und Stiftungsrat-Vorsitzende Karin Schmidt-Friderichs.
In seinem Werk verbinde Schlögel empirische Geschichtsschreibung mit persönlichen Erfahrungen. „Mit seiner Erzählweise, die Beobachten, Empfinden und Verstehen verbindet, korrigiert er Vorurteile und weckt Neugier“, so Schmidt-Friderichs.
Viel Russland-Kritik beim Friedenspreis
Im vergangenen Jahr war die US-amerikanische Historikerin Anne Applebaum geehrt worden, die in ihrer Dankesrede ebenfalls eindringlich davor warnte, die Unterstützung für die Ukraine einzuschränken. „Um zu verhindern, dass Russland sein autokratisches politisches System verbreitet, müssen wir der Ukraine zum Sieg verhelfen“, sagte die polnisch-amerikanische Historikerin 2024 in ihrer Dankesrede in der Paulskirche.
Im Jahr davor hatte der britisch-indische Schriftsteller Salman Rushdie den Friedenspreis erhalten. Gegen ihn hatten Islamisten eine Fatwa ausgerufen, 2022 hatte er einen Anschlag nur knapp überlebt und dabei ein Auge verloren.
Laudatio auf Friedensnobelpreisträgerin
Schlögel war bereits zweimal als Laudator bei Friedenspreis-Verleihungen dabei, zuletzt hielt er 2013 die Laudatio auf die belarussische Literaturnobelpreisträgerin und Putin-Kritikerin Swetlana Alexijewitsch. Auch er selbst wurde vielfach ausgezeichnet, zuletzt 2024 in Düsseldorf mit dem Gerda-Henkel-Preis.
Putin habe „alles in den Schatten gestellt, was man nicht einmal einem Dämon zutraut“, sagte er damals in seiner Dankesrede. „Russland ist der Feind“, führte er im dpa-Interview aus. „Russland ist ein Staat, der in Europa einen Krieg angefangen hat, und darauf müssen sich die Deutschen einstellen. Das heißt: verteidigungsbereit sein, abwehrbereit sein.“