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Interview "Ein Bildhauer muss ein Kämpfer sein"

Bildschnitzer Marc Fromm spricht im Interview über Corona-Hilfen, Werkstatt-Einsamkeit und Laborantinnen ohne Mundschutz.

Von Uta Baier 25.01.2021, 16:35

Magdeburg/Halle l Sehr schön, sehr groß und sehr unnahbar steht "Die Laborantin" in den Ausstellungsräumen der Kunststiftung Sachsen-Anhalt in Halle. Effektvoll beleuchtet ist die vier Meter hohe Skulptur des Hallenser Künstlers Marc Fromm durch die großen Fenster der Kunststiftung zu sehen. Warum seine "Laborantin" keinen Mundschutz bekommen hat, erzählt der Künstler im Gespräch mit Uta Baier.

Volksstimme: Der Blick durch die Kunststiftungsfenster ist derzeit eine der wenigen Möglichkeiten, Kunst außerhalb von Büchern und digitalen Formaten zu sehen. Wie sehr leiden Sie unter den Einschränkungen durch die Pandemie?
Marc Fromm: Das Schöne ist, dass man mir meine Arbeit gar nicht wegnehmen kann, weil ich sie ja in mir trage. Ich kann jederzeit in die Werkstatt gehen und arbeiten. Ich kann die Arbeiten nur nicht ausstellen und die Freude mit anderen teilen. Das unterscheidet mich natürlich von den Kollegen, die auf eine Bühne und eine Aufführung angewiesen sind. Die leiden sicher mehr.

Also ist alles wie immer? Das kann ich mir fast nicht vorstellen.
Ich bin kein Mensch, der sich von den Zeitumständen runterziehen lässt. Wenn man diesen Beruf wählt, muss man sowieso ein Kämpfer sein. Sonst kann man den Beruf gar nicht machen. Man muss robust sein und eine große innere Kraft haben. Durch den Wegfall von Ausstellungen habe ich mehr Zeit für die Arbeit. Aber auch inhaltlich ändert sich etwas. Krisen bringen oft gute Kunst hervor.

Und finanziell? Wirken sich die abgesagten Messen und Ausstellungen aus?
Im Frühjahr und Sommer sind drei Ausstellungen abgesagt worden, für die ich lange gearbeitet habe. Diese Einnahmen fehlen. Da habe ich mich schon gefreut, dass es die Coronahilfen des Landes gibt, habe sie mit großer Dankbarkeit in Anspruch genommen und drei Monate meine Miete für die Werkstatt damit bezahlt. Das finde ich großzügig und nicht selbstverständlich. Ich arbeite lieber für mein Geld.

Haben Sie trotzdem auch etwas verkauft?
Auch hier habe ich Glück, dass ich schon länger arbeite, einen Sammlerstamm habe und nicht gerade erst mit dem Studium fertig bin. Mich haben sogar Leute angerufen und gesagt, dass sie mir Geld überweisen für eine Arbeit, die sie später kaufen werden. Letztendlich hatte ich im Oktober in Stuttgart eine Ausstellung, die aber auch gleich wieder schließen musste. Das wurde dann nicht der finanzielle Befreiungsschlag.

Viele arbeiteten im Homeoffice erstmals allein. Sie sind in Ihrer Werkstatt sowieso allein.
Die Kontemplation, die die Arbeit für mich bedeutet, geschieht immer in Einsamkeit. Ich arbeite sozusagen immer in Quarantäne. Deswegen hat sich für mich und an meiner Arbeitssituation nichts geändert.

Ihre "Laborantin" passt perfekt in diese Zeit. War sie als Kommentar zur Suche nach einem Impfstoff gedacht?
Natürlich nicht! Meine Arbeiten dauern ja immer Monate, bis sie fertig sind. Ein medizinisches Untersuchungslabor hat mich lange vor Corona gefragt, ob ich eine Ausstellung zur Eröffnung ihres Labors zeigen möchte. Daraufhin habe ich mit der Laborantin vor genau einem Jahr angefangen. Dann kam Corona zu uns. Die Ausstellung wurde abgesagt. Meine Laborantin, die ich mit Mundschutz geplant hatte, konnte nun keinen Mundschutz mehr bekommen. Mit Mundschutz wäre sie vielleicht eine Ikone der Zeit geworden. Aber mir war das zu direkt.

Es ist also nicht die Zeit, an der Berufswahl zu zweifeln?
Der Tenor in der Berichterstattung ist, dass es den Künstlern schlecht geht. Das stimmt für bestimmte Branchen sicher. Aber ich habe auch viele Kollegen, die sagen, dass sie noch nie so viel verkauft haben wie jetzt. Und wenn es gar nicht läuft, dann muss ich mir eben einen Job auf einer Baustelle suchen.

Was vermissen Sie am meisten momentan?
Ich freue mich unglaublich auf die Treffen mit Freunden aus dem Kulturbetrieb, zum Beispiel bei Ausstellungseröffnungen.

Sie haben vorhin erzählt, dass Sie länger nicht in der Werkstatt waren und jetzt erst mal heizen müssen. Woran haben Sie in den vergangenen Wochen gearbeitet?
Ich habe die Zeit für Planungen genutzt. Wenn ich wieder zum Holzhändler fahren kann, dann kann es auch wieder losgehen.

Ihr Holzhändler ist wohl außerhalb der 15-Kilometer-Zone?
Genau! Das Lindenholz, mit dem ich arbeite, gibt es nicht überall.