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Interview Theater Magdeburg mit neuer Oper

Marcel Keller inszeniert am Theater Magdeburg die Oper „Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny“. Ein Interview.

08.03.2020, 00:00

Volksstimme: Wie groß war die Herausforderung?
Marcel Keller: Das Schwierige dabei war nicht, Regie zu führen, sondern der traurige Zusammenhang, in dem die Entscheidung fiel. Cornelia Crombholz und ich hatten ja alles gemeinsam vorbereitet.

Mussten Sie überlegen, als das Theater Sie fragte?
Ich habe schnell ja gesagt, auch, weil ich schon einmal von Conny eine Inszenierung übernommen hatte. Da war sie Schauspielhefin in Rostock und hatte eine Regiearbeit zeitlich nicht geschafft. Ich weiß, dass meine Arbeit ihr zusagte.

Wie viel Crombholz und wie viel Keller steckt in dieser Inszenierung?
Das lässt sich in dieser wie auch in all unseren vorherigen Arbeiten zuvor kaum auseinanderhalten. Das war immer ein enges Miteinander. Ich habe sehr viel Zeit auf ihren Proben verbracht, ich habe mit ihr sehr viel über die Arbeit geredet. Ich war nicht nur der Bühnenbildner, ich war die ganze Seite an ihrer Seite. Sie hat sich ja nie daran gestört, dass ich auch inszeniere. Für Mahagonny haben wir die Arbeit gemeinsam begonnen und uns für diese Oper öfter als jemals zuvor getroffen. Ich habe in den ersten Probentagen einige Ideen verändert, wie auch Cornelia wahrscheinlich einiges umgestoßen hätte.

In der Oper geht es um die fiktive Stadt Mahagonny, die ransant wächst, in der sich Kriminelle und Prostituierte wohlfühlen und alles für Geld zur Ware wird. Wo verorten Sie diese Stadt?
Da es ein Lehrstück von Brecht ist und dieser Charakter auch nicht zu leugnen ist, habe ich versucht, es neutral zu verorten. Mahagonny ist nicht Magdeburg, auch nicht Berlin. Es gibt natürlich Verbindungen ins Heute. Das Stück habe ich nicht in den 20er und 30er Jahren verortet. Dafür ist es viel zu aktuell.

Was macht diese Oper so aktuell?
In Mahagonny gibt es Gier nach allem, Rücksichtslosigkeit, einen entfesselten Kapitalismus. Brecht beschreibt auch, wie sich das alles totläuft. Jim Mahoney, die Hauptfigur der Geschichte, entwirft die Gesetze, nach denen jeder tun kann, was ihm beliebt, wenn er es denn nur bezahlen kann. Er hat am Ende einen Monolog, in dem beschrieben wird, dass dieses Konzept nicht aufgeht, dass es von Anfang an verloren war.

Dann wird Jim hingerichtet, weil er gegen seine eigenen Gesetze verstoßen hat, weil er nicht bezahlen kann. Die Suche nach dem Glück, nach der Glückseligkeit kann mit Konsum einfach nicht erfüllt werden. Am Ende des Lebens stellt man fest, was übrigbleibt. Und ich denke, es sind nicht die Smartphones und die Autos, die unser Leben ausgefüllt haben.

Sie sprachen vom Lehrstück. Erheben Sie den Zeigefinger?
Das versuche ich zu vermeiden. Mahagonny ist für mich eher eine Satire. Aber wenn man bedenkt, dass wir in heutigen Satiresendungen Dinge erfahren, die eigentlich in die Nachrichten gehören, weil sie so gut recherchiert sind und unsere Zeit deutlicher und kritischer beschreiben als das, was wir in den Nachrichten erfahren, dann ist das damit durchaus zu vergleichen. Das Schöne aber ist, dass diese Kritik von Brecht auch sehr unterhaltsam und witzig ist. Sie ist sinnlich und keineswegs dröge. Das hat sicher auch mit der Musik zu tun. Mit Brecht und Weill haben sich zwei gefunden, die das Theater verändern wollten. Sie wollten die Oper vorführen in ihrer Übertreibung, in ihrer falschen Romantik. Weill hat alle möglichen Arten von Oper und musikalischen Genres auf die Schippe genommen.

Zuspitzungen sind Gratwanderungen, man kann ins Plakative abrutschen.
Es ist plakativ. Aber eben so plakativ, wie eine Satiresendung übertreibt, um bestimmte Dinge zu verdeutlichen. Es geht hier nicht um Naturalismus.

Musikalisch steckt vom Songspiel bis zur Oper alles in dieser Brecht-Weill-Projekt. Was bedeutet das für das Ensemble?
Für die Sänger ist es nicht einfach, vor allem, weil sie zum Teil in sehr hohen Tonlagen singen. Als das Stück entstand, waren die Stimmen prinzipiell höher, auch die Stimmlagen. Ich weiß, den Sängern macht das aber auch Freude.

Sie sind auch für das Bühnenbild zuständig. Verraten Sie, was den Besucher erwartet?
Wir haben eine Bühne mit zwei Containern. Sie stehen einerseits für den Austausch von Waren, andererseits für das Ambulante dieser Stadt Mahagonny, die in der Einöde, wie Las Vegas in der Wüste, errichtet wird. Cornelia und ich hatten uns auch für die Container-Variante entschieden, weil es für die 20 Nummern an unterschiedlichen Orten das Praktikabelste ist. Zudem geben die Container den Blick ins Heute. Wir leben in einer Art Abfertigungsgesellschaft, in der wir uns vor Automaten erniedrigen und in einer Hotline-Schleife keinen erreichen. Wir sind schon sehr von den Menschen entfernt.

Wie emotional wird die Premiere für Sie werden?
Das weiß ich noch nicht. Noch habe ich die Proben. Ich möchte die Atmosphäre vom Zuschauerraum mitbekommen, ich will wissen, wie das Stück ankommt. Für Conny gibt es am Tag nach der Premiere im Schauspielhaus eine Gedenkveranstaltung. Mal sehen, wie es mir da gehen wird.

Premiere am 14. März um 19.30 Uhr im Opernhaus, weitere Vorstellungen 21. März, 5. 10. und 25. April.